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Brandenburg: An dünnem Draht

In Groß Fredenwalde in der Uckermark ist die Kirche bald der letzte Treffpunkt. Doch ohne Bundesmittel droht der Einsturz

Groß Fredenwalde. Wie Ortsnamen doch täuschen können. Groß Fredenwalde ist gar nicht groß, sondern ein winziges Dorf von gerade 101 Einwohnern zwischen Angermünde und Prenzlau in der Uckermark. Nur ein vier Kilometer langer staubiger Weg führt in der Nähe der Autobahnabfahrt Pfingstberg in den Ort. Fremde verirren sich kaum hierher. Zwar gibt es noch eine Gaststätte. Doch die schließt Ende August wohl für immer. Die Besitzer fanden keine Nachfolger, die Zahl der Kneipengäste geht in der ganzen Gegend stark zurück. Es fehlen die jungen Leute. Dafür entdecken Menschen aus Berlin und anderen Großstädten den Flecken als Ruhesitz. Und die engagieren sich zusammen mit einigen Alteingesessenen für den einzigen Treffpunkt im Ort – die alte Kirche.

Doch damit könnte es auch bald vorbei sein. Denn die alte Feldsteinkirche ist stark einsturzgefährdet. Das gilt zwar für Dutzende Gotteshäuser in Brandenburg. Doch in der Uckermark und anderen dünn besiedelten Landstrichen sind die Kirchen oft der einzige Ort des sozialen Lebens der Einwohner, unabhängig von der Gläubigkeit. „Bei uns bringt der Kultur- und Heimatverein noch etwas Leben in den Ort“, sagt Vereinschef Erhard Rieger. Gottesdienst finde nur noch alle vier Wochen statt. Da sei es schon wichtig, dass ab und zu Konzerte oder Lesungen stattfänden. „Das dabei eingenommene Geld dient der Rettung unserer Kirche. Doch allein schaffen wir es nicht“, erklärt Rieger.

Er kennt die Geschichte des Bauwerkes auswendig. 1269 wurde Fredenwalde erstmals urkundlich erwähnt, aus dieser Zeit stammt auch die Kirche. An der Orgelempore steht die Jahreszahl 1583, der Kanzelaltar stammt von 1708. Anfang des 18. Jahrhunderts entstand ein Fachwerkturm, der aber seit 1960 nicht mehr in ganzer Größe vorhanden ist. Schon damals drohte er einzustürzen. Theologiestudenten bauten ihn teilweise ab und verpassten ihm sein jetziges Aussehen. Er stellt heute das größte Problem dar.

Ein kurz nach der Wende eingezogener Stahlträger verhinderte bislang einen Zusammenbruch. Doch nun hat der Hausschwamm die ganze Holzkonstruktion in Mitleidenschaft gezogen. Die Pilze haben sogar auf den Dachboden übergegriffen. Einfacher Draht bewahrt die Bohlen vor dem Herabstürzen. 12 000 bis 15 000 Euro würde eine Behelfslösung kosten, eine generelle Sanierung des Turms 150 000 Euro. Der Heimat- und Kulturverein kann nur 10 000 Euro zusammenbringen. „Deshalb waren wir so froh, dass wir 2004 Mittel aus dem Bundesprogramm ‚Dach und Fach‘ erhalten sollten“, sagt Erhard Rieger. „Nun hat uns der Stopp des Programm sehr getroffen, zumal sich auch schon örtliche Baubetriebe Aufträge ausgerechnet hatten.“

Doch wenn nicht schnell etwas passiert, ist der Einsturz des Turms nur eine Frage der Zeit. Wenn die Störche auf dem First im nächsten Jahr nach Groß Fredenwalde zurückkehren, könnte ihr Horst schon nicht mehr vorhanden sein.

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