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Brandenburg: Auf dem richtigen Gleis

1996 gründeten vier Brandenburger die Prignitzer Eisenbahn. Inzwischen jagen sie der Bahn AG manche Strecke ab

Pritzwalk. Angefangen hatten sie zu viert und mit einem Triebwagen. Der juckelte hin und her zwischen Putlitz und Pritzwalk, einer Strecke, die die Bahn AG aufgeben wollte. Ein halbes Jahr lang durften sich die vier samt Triebwagen aber noch auf den Schienensträngen austoben. Das war 1996.

Heute beschäftigt die PEG, die private Prignitzer Eisenbahn, rund 100 Mitarbeiter, expandiert immer weiter und hat der großen Bahn AG bereits einige Strecken abgejagt. Grund zur Freude – natürlich. Aber vor allem Ansporn. „Jetzt müssen wir in die Hände spucken“, sagt Matthias Kley, der von Beginn an bei der PEG ist. Wenn er zurückdenkt, fängt er regelrecht zu schwärmen an. Zwei Triebwagenführer, ein Schaffner und einer, der sich um die Verwaltung kümmerte, dazu kam noch ein pensionierter Lokführer, der ab und zu einsprang. Das war das Anfangsteam. Liebevoll restaurierten die vier Jung-Bahner einen alten Schienenbus, malten ihn blau-rot an, und los ging’s. Man passte die Fahrpläne an die Schulzeiten an und in Pritzwalk an die Anschlusszeiten mit der Bahn AG, außerdem gab’s vom Schaffner Kaffee und Süßigkeiten. „Die Verbesserungsvorschläge der Fahrgäste landeten im Zug direkt beim Chef“, erzählt Kley.

Die Methode zog: Immer mehr Prignitzer stiegen in die Regionalbahn, nach einem Jahr waren schon drei Triebwagen im Einsatz. Die PEG übernahm weitere bedrohte Strecken zwischen Neuruppin und Güstrow, brauchte mehr Triebwagen und kaufte im Westen ausrangierte, billige Schienenbusse. Die wurden restauriert und einheitlich blau-rot angestrichen. Mit ihnen konnte die PEG den Stundentakt einführen.

Inzwischen liegt nun die nächste große Aufgabe vor dem kleinen Unternehmen: Vor etwa vier Wochen erhielt die PEG den Zuschlag der Verkehrsminister von Berlin und Brandenburg für das Ostnetz: vier Regionalbahnstrecken im Nordosten Brandenburgs. Ab Dezember 2004 wird sie gemeinsam mit der Hamburger Hochbahn AG (HHA) auf weiteren 330 Kilometern zwischen Berlin, Eberswalde und Frankfurt (Oder) den Personenverkehr betreiben.

Bereits zuvor gewann die PEG zwei weitere Ausschreibungen. Im Ruhrgebiet im Raum Duisburg und Oberhausen sowie erstmals zusammen mit der HHA im Raum Neustrelitz als Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (ODEG). Unter diesem Namen wollen sie auch das Ostnetz in Brandenburg betreiben, beide Partner besitzen je 50 Prozent der Anteile. Quasi nebenbei entwickelte die kleine PEG-Werkstatt auch noch einen umweltpolitischen Clou, für den sie 2001 den Deutschen Solarpreis erhielt.

Den Technikern gelang es, den Betrieb der Dieselmotoren der Schienenbusse auf reines Pflanzenöl umzustellen: Das wächst nach, es gibt keine Verschmutzungsprobleme beim Lagern und Tanken auf. Außerdem ist es viel billiger und die Motoren verbrauchen 30 Prozent weniger, als wenn sie mit Diesel fahren. Es gelang sogar, zehn über 2000 PS starke sowjetische Diesellokomotiven zumindest im Sommer auf Pflanzenöl umzustellen. Sie ziehen nun im Auftrag der PEG schwere Güterzüge mit Baustoffen durch Deutschland.

Im Brandenburger Verkehrsministerium ist man Feuer und Flamme für die emsigen Bahnunternehmer aus der Prignitz: Die PEG habe die Ausschreibung für die vier Strecken im Nordosten gewonnen, so Ministeriumssprecher Lothar Wiegand, „weil sie – was Preise und Service betrifft – das beste Angebot machte“. Etwa die Kinderbetreuung im Zug. Auch lasse sich die Firma freiwillig auf ein „Bonus-Malus-System“ ein. „Steigende Fahrgastzahlen werden belohnt, bei Verspätungen und mangelnder Sauberkeit werden Maluspunkte verteilt, die den Vergütungsanspruch reduzieren“, sagt Wiegand. Doch hauptsächlich dachten Brandenburg und Berlin bei der Ausschreibung ans Geld. Insgesamt koste das Ostnetz mit der PEG/HHA jährlich etwa eine Million Euro weniger als mit der Bahn AG, rechnet Wiegand vor. Die Bahn AG erklärt die verlorene Ausschreibung denn auch vor allem mit ihren hohen Lohnkosten. Doch das lässt Kley nicht gelten: „Unser Haustarifvertrag unterscheidet sich nur geringfügig von dem der Bahn AG“, sagt er.

Christoph Villinger

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