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Brandenburg: Bei Parmalat in Gransee fließt die Milch noch

Die Niederlassung des italienischen Konzerns ist einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Die Beschäftigten üben sich in Zweckoptimismus

Gransee. Kurz vor dem Ende eines ziemlich grauen und nicht besonders großen Industriegebiets am Rand von Gransee liegt die Niederlassung der Parmalat GmbH. Die Gegend verschwindet am Freitagmorgen unter einem dünnen Teppich aus Schnee. Nichts erinnert hier an die italienische Heimat des Mutterkonzerns, der zu zerbrechen droht an Millardenschulden und der Selbstbedienungsmentalität seines Gründers. „Wir produzieren hier ganz normal weiter“, sagt Betriebsleiter Hermann Reichel. Doch viele Bauern in der Region haben Angst, dass sich das bald ändern könnte.

Hermann Reichel hat schon andere Krisen hinter sich gebracht. Früher war er Geschäftsführer der Molkereigenossenschaft Zehdenick, deren Sitz nach der Wende von Parmalat übernommen wurde. Der schmächtige Mittfünfziger im weißen Kittel will aber im Moment überhaupt keine Fragen zum Unternehmen beantworten. Der Geschäftsführer sei in Italien, er selbst könne nichts sagen: „Ich setze doch nicht meinen Job aufs Spiel.“

Mancher Bauer in der Gegend würde sehr gern wissen, wie es mit dem Milchabfüller weiter geht. Norbert Hinkelmann hat gleich zwei Gründe, sich Sorgen zu machen. Er hat über die Molkereigenossenschaft Zehdenick auch Anteile an Parmalat. Außerdem ist Hinkelmann Chef der Schulzendorfer Agrar GmbH und Mitglied in der Erzeugergemeinschaft für Qualitätsmilch Berlum, die an Parmalat liefert. „Die große Gefahr ist, dass die Zahlungen ausbleiben“, erläutert der Landwirt. Die Betriebe in Deutschland liefern üblicherweise ihre gesamte Produktion an einen Abnehmer. Wenn da mal eine monatliche Überweisung ausbleibe, sei der Hof gleich in seiner Existenz bedroht. Eine Tüte Milch im Supermarkt sei mittlerweile billiger als manches Mineralwasser, klagt ein Landwirt. „Dabei ist der Produktionsaufwand für uns doch viel höher.“

Ein anderer Milcherzeuger, so ist zu vernehmen, hat sich bereits einen neuen Abnehmer gesucht. Der sei allerdings nicht vertraglich an Parmalat gebunden gewesen. Normalerweise werden zu Beginn der Zusammenarbeit Vereinbarungen mit Laufzeiten von bis zu zehn Jahren geschlossen. Allerdings laufen diese Abmachungen von Berlum-Betrieben in absehbarer Zeit aus. Die Mitglieder planen, danach geschlossen an Müller-Milch in Dresden zu liefern. Von dort ist ein besseres Angebot gekommen.

Für die kleine Stadt Gransee wäre der Niedergang von Parmalat eine Katastrophe. Das Werk ist mit 27 Angestellten einer der größten Arbeitgeber der ehemaligen Kreisstadt. Die Region im Norden des Landkreises Oberhavel kämpft mit den üblichen Problemen von Brandenburger Randgebieten: Abwanderung, schlechte Infrastruktur, die Arbeitslosigkeit liegt bei über 20 Prozent.

Bürgermeister Wilfried Hanke gibt sich aber weiter vorsichtig optimistisch. Nach seinen Informationen ist die Granseer Parmalat von der Insolvenz des Mutterhauses in Italien nicht unmittelbar betroffen: „Das ist hier eine eigenständige GmbH.“ Andererseits ist die italienische Konzernmutter wohl der mit Abstand wichtigste Abnehmer. Früher wurde die Brandenburger Milch in Gransee auch weiterverarbeitet. Mittlerweile, so Hanke, beschränke man sich darauf, sie transportfähig zu machen und dann per Lkw über die Alpen zu schicken.

Bei Norbert Hinkelmann bleibt deshalb ein Rest Unbehagen. Denn was passiert, wenn die Zahlungen aus Italien plötzlich ausbleiben? Bei Parmalat Gransee ist man offiziell zuversichtlich: Dann werde sich schon ein anderer Abnehmer finden, heißt es.

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