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Brandenburg: Belastet in den Wahlkampf

Die CDU-Basis fürchtet den Unmut der Wähler über Schönbohms Aussagen Der Parteichef äußert Selbstkritik. Doch nur Einzelne fordern seinen Rücktritt

Potsdam/Frankfurt (Oder) - Brandenburgs CDU-Vorsitzender und Innenminister Jörg Schönbohm ist zu einer Belastung seiner Partei im Bundestagswahlkampf geworden. Ungeachtet der Entschuldigung Schönbohms für seine Aussage, der zufolge eine „von der SED erzwungene Proletarisierung“ eine „wesentliche Ursache für Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft“ in Brandenburg sei, ist der Ärger an der Parteibasis groß. Sie fürchtet, an den Wahlständen nun den geballten Unmut der Bevölkerung über den Fauxpas des Parteichefs aushalten zu müssen. Zwar will die Parteiführung in Potsdam zur Tagesordnung übergehen, aber die Kritik aus den eigenen Reihen hält an.

„Der Schaden für die CDU ist bereits irreparabel – selbst wenn Jörg Schönbohm zurücktreten würde“, glaubt etwa Rainer Eppelmann, der langjährige Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete und letzte DDR-Verteidigungsminister. „Das Kind ist im Brunnen.“ Eppelmann nennt Schönbohms „Generalverurteilung der Ostdeutschen“ eine so „ungeheuerliche Entgleisung“, dass die Brandenburger Union dies am 18. September spüren werde: „Das wirkt nach.“ Er selbst sei wahrlich nicht verdächtig, das SED-Regime zu verklären, sagt der frühere DDR-Bürgerrechtler. Aber auch er habe sich durch Schönbohm „persönlich diskreditiert“ gefühlt: „Wenn er das in meinem Beisein gesagt hätte, wäre ich ihm an die Kehle gegangen.“ Nun könne man nur hoffen, „dass die Brandenburger die Äußerungen des CDU–Landesvorsitzenden nicht mit dem Geist und den Überzeugungen tausender Mitglieder gleichsetzen“, sagt Eppelmann, der selbst nicht erneut für den Bundestag kandidiert.

Auch im Landesverband ist man sich über den Schaden, den Schönbohm angerichtet hat, weitgehend einig. „Er hat einen Fehler gemacht – und sich dafür entschuldigt. Jetzt geht es darum, Vertrauen zurückzugewinnen“, sagt sogar CDU-Generalsekretär Sven Petke und bestätigt: „Die Partei ist aufgewühlt.“ Die CDU- Kreischefin und Oberbürgermeisterin von Brandenburg/Havel, Dietlind Tiemann, sagt, der Wahlkampf „wird dadurch erschwert“.

Dennoch gibt es bislang keinen namhaften CDU-Politiker im Land, keinen CDU-Kreischef, der offen den Rücktritt Schönbohms forderte. Einsame Ausnahme ist der CDU-Kreistagsfraktionschef Horst Tschaut in Oberhavel, der allerdings in der brandenburgischen Union als Außenseiter gilt. Gleichwohl wird in der CDU mit Spannung erwartet, ob sich Schönbohm auf der Landesvorstandssitzung am Freitag erstmals massive Kritik anhören muss – „statt der bisherigen Ergebenheitsadressen“, wie ein CDU-Politiker formuliert.

Und Schönbohm selbst? Auch der gibt am Montag auf Wahlkampf-Tour in Frankfurt (Oder) offen zu, dass seine Äußerung „den Wahlkampfauftakt der CDU behindert“. Jetzt komme es darauf an, wie man mit den Reaktionen der Menschen umgeht. Schönbohm kündigt an, dass er seine Entschuldigung im Wahlkampf auch wiederholen werde.

Er sei wohl „derjenige, der von allen Beteiligten am meisten aus diesem Fall gelernt hat“, sagt Schönbohm. „Wenn mir eine Mutter einen Brief voller Enttäuschungen schreibt, dass ich ihre Leistungen beim Großziehen ihrer Kinder in der DDR herabwürdige, dann wird man sehr nachdenklich.“ Am 16. August will er mit der CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel einen Wahlkampfauftritt in Cottbus bestreiten. Mit Blick auf diesen Termin sagt Schönbohm: „Was geschehen ist, hat der CDU geschadet, wie es bis zur Wahl weitergeht, werden wir dann sehen.“

Nach der Bundestagswahl aber will der Innenminister unbedingt weiter nach den Ursachen der „Mentalität des Wegguckens“ suchen. Dass sich diese in Brandenburg immer wieder zeige, daran hält er fest – und verweist neben dem aktuellen Fall auch auf die Mutter, die 1999 in Frankfurt (Oder) ihre beiden Kinder hat verdursten lassen, und auf die rassistisch motivierten Brandanschläge auf Imbissbuden von Ausländern, deren Täter in den Dörfern bekannt waren, aber nicht angezeigt wurden. Und auch seinen Erklärungsansatz will Schönbohm nicht aufgeben – was man auch in den eigenen Reihen registriert hat. Die Entschuligung galt der verletzenden Wirkungen seiner Worte. Die Sache selbst, sagt einer, der ihn kennt, ist „seine Überzeugung“.

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