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Brandenburg: "Beutekunst": Fenster der Marienkirche kehren nach Frankfurt zurück

Das Jahr 2001 könnte für Frankfurt (Oder) zum erfolgreichsten Jahr seit der Wiedervereinigung werden. Nach der jüngsten Ankündigung internationaler Investoren, eine drei Milliarden Mark teure Chipfabrik mit 1500 Arbeitsplätzen zu bauen, ist nun auch die Erfüllung eines weiteren, seit vielen Jahren verfolgten Wunsches der Stadt in greifbare Nähe gerückt: Die historisch außerordentlich wertvollen Fenster der Marienkirche werden in absehbarer Zeit an die Oder zurückkehren.

Das Jahr 2001 könnte für Frankfurt (Oder) zum erfolgreichsten Jahr seit der Wiedervereinigung werden. Nach der jüngsten Ankündigung internationaler Investoren, eine drei Milliarden Mark teure Chipfabrik mit 1500 Arbeitsplätzen zu bauen, ist nun auch die Erfüllung eines weiteren, seit vielen Jahren verfolgten Wunsches der Stadt in greifbare Nähe gerückt: Die historisch außerordentlich wertvollen Fenster der Marienkirche werden in absehbarer Zeit an die Oder zurückkehren. Darauf lassen die Aussagen des Moskauer Kulturministers Michail Schwydkoj schließen, wonach sich Deutschland und Russland jetzt auf eine Rückführung dieses "Beutekunst"-Gutes verständigt haben.

Details sind freilich noch nicht durchgedrungen und sollen wohl erst bei Gesprächen von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit Präsident Wladimir Putin im April bekannt gegeben werden. Offen ist vor allem, wann die drei etwa 20 Meter hohen Fenster - die nach Angaben des ausgeschiedenen Kultur-Staatsministers Michael Naumann bei den Rückführungsbemühungen der Bundesregierung an vorderster Stelle stehen - zurückkehren werden. Doch der von Oberbürgermeister Wolfgang Pohl (SPD) zuletzt im Dezember formulierte Wunsch, die Kunstwerke bis Ende 2001 wieder in der Stadt zu haben, könnte nun durchaus Realität werden.

Die Fenster des mit 77 Meter Länge und 45 Meter Breite zu den größten norddeutschen Backsteinhallenkirchen zählenden Baus waren zwischen 1360 und 1370 entstanden. Sie geben auf 111 Feldern einer Bilderbibel gleich die Schöpfungsgeschichte wieder. Dargestellt werden das Leben von Adam und Eva, der Bau der Arche Noah und das Leben Christi. Mitte 1943 waren die Fenster vorsorglich ausgeglast und im Neuen Palais von Potsdam-Sanssouci untergebracht worden. Die nach Kriegsende von sowjetischen Kulturoffizieren übernommenen Kunstschätze lagern seit 1946 in Kellern der Eremitage von St. Petersburg.

Die um 1250 errichtete und später mehrfach umgebaute Marienkirche überstand den Krieg nur als Ruine. 1976 übernahm die Stadt in einem Vertrag mit der evangelischen Gertraud-Marien-Gemeinde für 99 Jahre die Nutzung der fünfschiffigen Kirche, die vor allem kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen dient. In den 90er Jahren flossen acht Millionen Mark von Bund, Land und Stadt in die Sanierung des Sakralbaus, der seit 1998 wieder ein Dach hat.

Jetzt hofft man in Frankfurt, bald den größten Schmuck der Kirche - die drei Fenster - wieder in den Chor einbauen zu können. Schon seit Jahren bemühen sich die Stadtväter parallel zur Bundesregierung um deren Rückgabe. 1996 schrieb Pohl, der diese Bemühungen von Anfang zur Chefsache gemacht hatte, gar an den damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin.

Über das Schicksal der Kunstgüter war bis Dezember 1997 freilich wenig bekannt: Damals konnte eine deutsch-russische Expertengruppe die Kunstwerke erstmals besichtigen. Das Ergebnis war ernüchternd: Nach Jahrzehnten in dunklen Depots befinden sich die Fenster in einem desolaten Zustand. Klar ist daher, dass sie nach einer Rückkehr erst aufwendig restauriert werden müssen. Der Oberbürgermeister hofft dennoch darauf, dass die Fenster bis zum Jahr 2003, wenn die alte Hansestadt ihr 750-jähriges Stadtjubiläum feiert, wieder den größten brandenburgischen Sakralbau zieren werden. Schließlich sei die Marienkirche das Gebäude der Stadt, mit dem sich die rund 70 000 Einwohner am meisten identifizieren.

Jörg Schreiber

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