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Bodengesellschaft: Landeseigentum zum Schnäppchenpreis

Brandenburgs Abgeordnete sind beim Verkauf der Brandenburgischen Bodengesellschaft für 635.000 Euro irreführend informiert worden. Weitere brisante Details über die Privatisierung der BBG wurden nun in unveröffentlichten Unterlagen gefunden.

Potsdam - In der Finanzaffäre gibt es neue Hinweise, dass dem Land Brandenburg entgegen Aussagen von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) beim Verkauf der Brandenburgischen Bodengesellschaft (BBG) ein Schaden entstanden ist. So hat das Finanzministerium unter dem damaligen Minister Rainer Speer (SPD) der Firma TVF des Unternehmers Frank Marczinek bei der Privatisierung der BBG weitaus größere Zugeständnisse gemacht als bislang bekannt. Das Parlament wurde darüber nicht umfassend, teils auch irreführend informiert – etwa zum Kaufpreis, aber auch zum Hintergrund der TVF. Das geht aus den Privatisierungsakten hervor, in die der Tagesspiegel jetzt Einblick nehmen konnte.

Einem Einsichtsbegehren hatte das von Helmuth Markov (Linke) geführte Ministerium zuvor zugestimmt. Die wegen der Konditionen umstrittenen Verkäufe der BBG und von Immobilien wie der Krampnitz-Kaserne und eines Babelsberger Villengrundstücks werden bald vom Untersuchungsausschuss des Landtages unter die Lupe genommen. Die Opposition aus CDU, Grünen und FDP stellte dazu am Dienstag einen umfangreichen Fragekatalog vor. Danach soll auch untersucht werden, ob von Ministern geführte Sportvereine etwa bei der Vergabe von Fördermitteln profitierten. Eigentlich sollte die BBG, die frühere Militärliegenschaften Brandenburgs vermarktet, 2006 liquidiert werden. Stattdessen wurde die Firma – zusammen mit einem Landesauftrag über rund zwölf Millionen Euro bis 2009 – an die TVF veräußert. „Der Kaufpreis beträgt 635.000 Euro“, heißt es dazu im Notarvertrag (UR 1545/2006) vom 2. November 2006. Diesen realen Kaufpreis erfuhr das Parlament bis heute nicht offiziell. Auch der neue Finanzminister Markov nannte die Summe dem Landtag nicht. Im Gegenteil, Speer hatte am 7. November 2006 dem Parlament mitgeteilt, dass das Land für die BBG rund 3,9 Millionen Euro erhält, „teils über eine Ausschüttung“ der Gesellschaft. Die Differenz erklärt sich damit, dass der Käufer 3,3 Millionen Euro aus den Kassen der gekauften BBG bezahlen durfte. Merkwürdig ist auch, dass der Verkauf quasi rückwirkend geschah. „Der wirtschaftliche Übergang erfolgt zum 1.1.2006“, so der Vertrag. Ende 2005 hatte die BBG ein Guthaben von 4,9 Millionen Euro.

Den Zuschlag bekam die TVF nach einer europaweiten Ausschreibung, auf die sich sechs Interessenten meldeten. Das Finanzministerium, das eine Anwaltskanzlei eingeschaltet hatte, um vergaberechtliche Risiken zu mindern, war im Sommer 2006 mit der TVF und einer Firma aus Wolfen in Endverhandlungen gegangen. Da tauchen weitere Fragen auf, etwa zum Kaufpreis. Im Juli 2006 etwa erklärte das Ministerium „zur unverhandelbaren Bedingung“, dass mindestens ein Kaufpreis in Höhe von 4,49 Millionen Euro geboten wird. Das war der in einem Gutachten ermittelte BBG-Unternehmenswert, wobei die gefüllten BBG-Kassen – man hatte für Sozialpläne angespart – einkalkuliert waren. Das Schlussgebot der TVF lag mit 3,9 Millionen Euro darunter. „Auf Grundlage“ dieses TVF-Angebotes wurde nun das Gutachten „fortgeschrieben“ – und kam prompt auf 3,6 Millionen Euro. Wie die Gutachter auf den pauschal mitgeteilten Wert kamen, dazu finden sich keine Unterlagen. Sie wurden auch nicht angefordert. Der zweite Bieter hatte freilich noch weniger geboten.

Brisant sind auch die Besitzverhältnisse. Als die TVF am 17. Juli 2006 ihr erstes Angebot einreichte, gehörte sie noch den Konzernen Thyssen und Vattenfall. Doch mitten in den Endverhandlungen, im Schlussgebot vom 14. September 2006, informierte Marczinek, auf Vertraulichkeit drängend, dass er die Firma über ein Management-Buy-out im August inzwischen selbst erworben hatte. Im Ministerium sah man den Wegfall des starken Gesellschafter-Hintergrundes kritisch. Die Spitze wurde darüber am 3. November 2006 informiert, am Tag nach Unterzeichnung des Notarvertrages. Landtag und Öffentlichkeit erfuhren auch das von Speer nicht.

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