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Bodenreformaffäre: Schwere Vorwürfe gegen Staatsanwälte

Die Ermittler sehen bei den Enteignungen keinen Vorsatz. Die Betroffenen wollen nun Beschwerde einlegen.

Scharfe Kritik folgte gestern auf die Entscheidung der Potsdamer Staatsanwaltschaft, in der Brandenburger Boden-Affäre keine strafrechtlichen Ermittlungen führen zu wollen. Die „Arbeitsgemeinschaft Recht und Eigentum“ (Are) kündigte an, Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft einzulegen. Die Vertreter enteigneter Erben von Bodenreformflächen hatten die Anzeige erstattet, die zu Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft geführt hatte. Der frühere Richter am Bundesgerichtshof, Wolfgang Neskovic, sagte, die Entscheidung sei „juristisch nicht nachvollziehbar“.

Diese Einschätzung teilen wegen des klaren Urteils des Bundesgerichtshofs viele Experten: Nach einem Protokoll der mündlichen Verhandlung am BGH, das dem Tagesspiegel vorliegt, hatte dieser das Vorgehen der Landesregierung am Beispiel „einer vorsätzlichen, veruntreuenden Unterschlagung“ ausgeführt – eines strafrechtlichen Vorwurfs also.

Neskovic, der heute für die Linke im Bundestag sitzt, wies darauf hin, dass gegen die Entscheidung gegebenenfalls ein „Klageerzwingungsverfahren“ vor dem Oberlandesgericht durchgeführt werden könnte. „Strafrechtliche Ermittlungen wären zwingend erforderlich gewesen“, sagt er. Pflichtwidrigeres Verhalten als das vom BGH festgestellte „sittenwidrige“ Handeln des Landes sei nicht vorstellbar. Auch der Vorsatz der Beteiligten sei offensichtlich: Die Grundstücke sollten in Landeseigentum übergehen, ohne dass zuvor die Zuteilungsfähigkeit festgestellt wurde. Der Verlust des Eigentums sei ein „objektiver Vermögensnachteil“ für betroffene Erben. „Daran kann nach dem BGH-Urteil nicht ernsthaft gezweifelt werden“, sagte Neskovic.

Den Staatsanwälten droht eine Anzeige wegen „Strafvereitelung im Amt“. Diese will Thorsten Purps „ernsthaft prüfen“. Der Rechtsanwalt, der die Anzeige für die Are erstattet hatte, sieht sich von den Ermittlern düpiert: Die Akteneinsicht, die diese ihm versprochen hätten, sei herausgezögert worden bis nach der Einstellung. „Höchst ungewöhnlich“, findet Purps. „Ein solcher Schritt wird den Anzeigeerstattern meistens vorher angekündigt.“ Purps betonte aber, dass die Einstellung nur einen einzelnen Fall betreffe. Weitere Fälle könnten folgen.

Den Experten zufolge umschiffen die Ermittler in ihrer Begründung zur Nichtaufnahme von Ermittlungen den zentralen Vorwurf: Die Landesregierung führte als „gesetzlicher Vertreter“ enteigneter Erben deren Nachteil durch die Landnahme vorsätzlich herbei.

„Rückschlag für den Rechtsstaat und Rückfall hinter das BGH-Urteil“, nennt Ulrich Mohr das Ende der Vorermittlungen. Er hatte das BGH-Urteil erstritten. Die „weisungsgebundenen Beamten von Justizministerin Beate Blechinger (CDU)“ unterschätzten Kompetenz und Verantwortung der Gerichtsbarkeit.

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