zum Hauptinhalt

Brandenburg: Bodyguard wartete auf der Treppe

Potsdam. Die Übergabe auf der Regierungsbank im Landtag verläuft reibungslos, völlig unspektakulär.

Potsdam. Die Übergabe auf der Regierungsbank im Landtag verläuft reibungslos, völlig unspektakulär. Kaum, dass Matthias Platzeck als neuer Ministerpräsident vereidigt ist, räumt Manfred Stolpe den Platz, den er zwölf Jahre einnahm. Nur eine Mappe mit den Tages-Akten lässt er für seinen Nachfolger zurück. Während der Landtagspräsident die Landtagssitzung mit der Debatte über das Schulgesetz eröffnet, vertieft sich der neue Regierungschef sofort in die Unterlagen. Doch viel Zeit hat er nicht: Staatskanzleichef Rainer Speer, ein enger Freund und Berater, der einen nicht unerheblichen Anteil an der in aller Stille organisierten Wachablösung hatte, eilt zu ihm. „Es ging schon um Probleme“, sagt Platzeck später. Mehr verrät er nicht. Die PDS-Abgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht tritt zu Platzeck, übergibt ihm einen Bittbrief für eine von Ausweisung bedrohte vietsische Familie in Altlandsberg. Die erste Petition an den neuen Ministerpräsidenten.

Gleich darauf Telefonate von der Regierungsbank. Alles wirkt so, als ob es keinen Wechsel gegeben hätte. Nur König Fussball bringt den parlamentarischen Alltag durcheinander. Der Plenarsaal leert sich. Im Foyer drängen sich Abgeordnete um einen großen Fernseher. Irgendwann hält es auch Matthias Platzeck nicht mehr auf seinem Platz. Er humpelt in Turnschuhen – der Bänderriss – die Treppen herunter. „Zwei Minuten Fussball“. Noch auf der Treppe stellt sich ein kräftiger Mann vor: sein künftiger Bodyguard.

Während Platzeck das Fussballspiel verfolgt, wird ihm ein Handy gereicht. Sofort richten die ihn auf Schritt und Tritt verfolgenden Fernsehteams ihre Kameras und Mikrofone auf ihn. Platzeck spricht leise, und beendet das Telefonat mit dem Satz: „Dann sehen wir weiter, Manfred.“ Später, auf seiner ersten kurzen Pressekonferenz im Foyer des Landtages betont er, dass er „auch weiterhin aus dem Erfahrungsschatz Stolpes schöpfen“ wolle. Er sei froh, dass Stolpe sich als Landtagsabgeordneter besonders um die Lausitz kümmern wolle. Er werde viele Termine mit Stolpe wahrnehmen. Schon am Sonnabend den ersten, wenn in Frankfurt/Oder die Fenster der Marienkirche eintreffen.

Die Frage einer Journalistin, wann die Regierungsumbildung komme, bügelt Platzeck ab. „Die Minister haben gute und solide Arbeit geleistet. Es gibt keinen Grund für einen Wechsel.“ Ein Satz, der wohl auch an die Adresse Jörg Schönbohms gerichtet ist, der am Vortag eine Kabinettsumbildung „in absehbarer Zeit“ nicht ausgeschlossen, aber sie ausdrücklich auf die fünf SPD-Minister begrenzt hatte. Und diese damit verärgert hatte. Platzeck müsse gegenhalten, um der schleichenden Demontage von SPD-Ministern vorzubeugen, hieß es in der Riege.

Nach der kurzen Pressekonferenz fährt Platzeck in die Staatskanzlei – mit der schwarzen gepanzerten Ministerpräsidenten-Limusine „P-DL 363“. Es ist kurz vor 17 Uhr. Stolpe übergibt ihm lächelnd seinen Schreibtisch – und eine Waffe, eine Keule mit spitzen Metallzacken. Die habe ihm einst General Burlakow beim Abzug der russischen Truppen aus Brandenburg geschenkt, und zwar mit den Worten: „Jetzt müssen Sie allein klarkommen. Wir sind nicht mehr da.“ Jetzt könne ihm nichts mehr passieren, entgegnet Platzeck. Dann muss er weiter, zum nächsten Termin. Die Ära Stolpe ist endgültig zu Ende, völlig unspektakulär. Michael Mara / Thorsten Metzner

NAME

Zur Startseite