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Brandenburg: Bombodrom-Gegner machen sich neue Hoffnung Anwohner setzen auf heftigere Proteste – schon am Wochenende Anwälte fordern Umweltprüfung für Boden-Schießplatz

Das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock kann möglicherweise nicht, wie von der Bundeswehr geplant, am 18. August in Betrieb gehen.

Das Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock kann möglicherweise nicht, wie von der Bundeswehr geplant, am 18. August in Betrieb gehen. Am kommenden Mittwoch wird die Berliner Anwaltskanzlei Geulen & Klinger im Namen betroffener Gemeinden, Einzelpersonen und Naturschutzverbände vor dem Verwaltungsgericht Potsdam Klagen einreichen, die laut Remo Klinger eine aufschiebende Wirkung haben. Die Bundeswehr wollte sich zu juristischen Fragen gestern nicht äußern. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Angelika Beer, forderte Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) auf, vor Inbetriebnahme des Bombodroms zumindest die erstinstanzliche Gerichtsentscheidung abzuwarten. Struck hatte die Betriebsgenehmigung am 9. Juli erteilt.

Unklar blieb am Donnerstag, wie die Umwelt-Generaldirektion der Brüsseler Kommission bei ihrer Ablehnung einer ersten Beschwerde der Initiative „Freier Himmel“ gegen das Bombodrom von völlig falschen Zahlen ausgehen konnte. Wie berichtet, war in dem Schreiben unter Berufung auf Angaben der Bundesregierung von nur 161 jährlichen Flugeinsätzen die Rede. Der zuständige Sachbearbeiter kommt erst am Montag aus dem Urlaub zurück. Von deutscher Seite sei die korrekte Zahl von 1700 Einsätzen genannt worden, erklärte EU-Mitarbeiterin Martina Doppelammer. Die Anwälte bereiten nun eine neue Beschwerde bei der EU vor.

Dass auch Flugzeuge anderer NATO-Staaten in Wittstock trainieren sollen, lässt Anwalt Klinger vermuten, dass es bei entsprechendem Bedarf auch zu erheblich mehr Einsätzen kommen könnte. Eine rechtliche Verbindlichkeit derEinsatzzahl ergebe sich aus den Erklärungen des Verteidigungsministeriums nicht. Im Betriebskonzept der Bundeswehr werde lediglich auf die „derzeitige Planung“ Bezug genommen. Da es pro Betriebstag mehrere Anflüge mit mehreren Flugzeugen geben dürfte, rechnet die Bundeswehr pro Jahr mit rund 7500 Anflügen.

Besondere naturschutzrechtliche Relevanz hätten – neben den Tiefflügen – auch die auf dem Militärgelände geplanten Bodenaktivitäten, sagte Anwalt Klinger. Bereits im Jahr 2000 hatte die Bundeswehr ein geplantes Manöver absagen müssen, weil die erforderliche Verträglichkeitsprüfung nicht vorlag. Dies ist auch heute nicht der Fall. Auf dem geplanten Schießplatz auf dem Gelände sollen rund 800 Soldaten des Luftwaffenausbildungsbataillons, das in Alt-Daber stationiert wird, üben. Bis zu 1000 weitere Soldaten aus Flugabwehr- und anderen Einheiten werden an 80 bis 100 Tagen im Jahr zu Bodenmanövern erwartet und im Lager Dranse-Kuhlmühle untergebracht.

Wittstock. Polizei, Bundeswehr und Wachschützer rund um das Bombodrom haben sich auf heiße Tage vorbereitet. Grund ist nicht allein die erhitzte Stimmung nach der Bestätigung der Bundeswehr, dass das umstrittene Gelände auch anderen Nato-Streitkräften für Tiefflüge zur Verfügung gestellt wird. Am heutigen Freitag beginnt direkt am Rande des Militärgeländes ein bis zum 3. August dauerndes „ Aktionscamp“ der in Berlin ansässigen Vereinigung „Resist Now“ (Widerstand jetzt), an dem sich mehrere einheimische Gruppen beteiligen wollen. „Jetzt geht’s mit unserem Protest gegen die Bundeswehr richtig zur Sache“, hieß es im Neuruppiner Café „Hinterhof“, das als Anlaufstelle vorwiegend jugendlicher Protestierer gilt. Doch angesichts der neuen Nachrichten rechnen die Organisatoren auch mit der Teilnahme von Menschen aller Altersklassen.

Laut Aufruf sind „geländekundliche Ausflüge auf den Spuren der Bürgerinitiative Freie Heide mit Fahrrad, Boot oder zu Ross“ vorgesehen, dazu Vorträge und weitere Proteste. Vorsorglich hat der zuständige Kommandant des Übungsplatzes vor einem Betreten des Sperrgebietes gewarnt. „Das sollte im Interesse der eigenen Sicherheit unterbleiben“, sagte Oberstleutnant Uwe Höntzsch, der auf die überall noch vorhandene Munition der russischen Streitkräfte verwies. Diese hatten das Gebiet zwischen 1952 und 1992 genutzt und „Bombodrom“ getauft, weil sie hier regelmäßig Bomben abwarfen.

Der Landrat des besonders vom Flug- und Schieß-Betrieb betroffenen Kreises Ostprignitz-Ruppin, Christian Gilde (SPD), hofft nun auf ein starkes Anschwellen des Protestes gegen das Bombodrom. „Nun lesen es die Menschen endlich schwarz auf weiß, welche ungeheuerliche Lärmbelastung auf sie zukommen wird“, sagte Gilde. „Ich selbst halte die jetzt von der Bundeswehr eingestandenen 7500 Einsätze pro Jahr noch für untertrieben.“ Aber er sei guter Hoffnung, dass die Inbetriebnahme des Platzes auf juristischem Weg noch verhindert werden kann. Auch der Landrat des Mecklenburger Müritzkreises, Jürgen Seidel (CDU), kündigte weiteren Widerstand an. Der SPD-Kreisverband der Müritzregion rechnet mit dem Verlust von 2000 Dauerarbeitsplätzen im Tourismus, wenn die Gäste wegen des Tieffluglärms ausbleiben würden.

Dagegen hofft die in Wittstock beheimatete Initiative „Pro Bundeswehr“ weiter auf 150 zivile Jobs und viele Aufträge für örtliche Dienstleister, wenn in Kürze eine Garnison mit 800 Soldaten eröffnet wird, sagte ein Sprecher. Das seien sichere Einnahmen, während die Profite aus dem Tourismus stark schwankten. Claus-Dieter Steyer

Rainer W. During

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