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Stechlinsee

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Brandenburg: Trübe Aussichten: Wasser im Stechlin wird schlechter

Ist es der Klimawandel oder das Kernkraftwerk? Experten rätseln über die Ursache der Veränderung im Großen Stechlinsee. Eine Naturschutzorganisation meint den Grund bereits zu kennen.

Theodor Fontane hat ihn mit dem Roman „Der Stechlin“ berühmt gemacht. Jahr für Jahr lockt er Touristen nach Brandenburg. Angler, Taucher und Badegäste schwören auf sein klares, bis zu 68 Meter tiefes Wasser. Doch nun schlagen Naturschützer Alarm: Der Große Stechlinsee, die „Perle des Nordens“ wird zunehmend trüber. „Dem See geht es nicht so gut“, sagt Tom Kirschey, Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu). Der größte nährstoffarme Klarwassersee im Norden Deutschlands weise „dramatische Veränderungen“ auf.

Noch versprechen Urlaubsbroschüren, dass einem „die Fische in die Augen sehen, bevor sie an der Angel anbeißen“. 1990 gab es Sichttiefen von bis zu zwölf Metern, berichtet der Präsident des Landesumweltamtes Matthias Freude. Heute seien es im Schnitt nur vier bis fünf. Von „ernsten Anzeichen, dass sich etwas verändert“, spricht Peter Casper vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie. Im Tiefenwasser steige die Phosphor-Konzentration, die Pflanzenwelt wandle sich. Immer weniger seltene Armleuchteralgen wachsen am Grund, dafür gedeihen Algensorten, die nährstoffreiches Wasser brauchen und den See eintrüben.

Durch undichte Abwassergruben in Neuglobsow werde der See zusätzlich belastet, sagt Tom Kirschey. Zudem gebe es einen Überfluss aus dem Dagowsee, wo lange eine riesige Entenmast betrieben wurde. Für Kirschey steht aber fest: „Der Stechlin reagiert jetzt auf das, was wir ihm vor 30 Jahren angetan haben.“ Gemeint ist das Kernkraftwerk Rheinsberg. Von 1966 bis 1990 ist im Kühlsystem erwärmtes und nährstoffreiches Wasser vom benachbarten Nehmitzsee in den Stechlin gepumpt worden. Seitdem hat sich die Temperatur um etwa ein Grad erhöht.

Lange hat der Stechlin die „thermische Belastung“ weggesteckt. Doch seit Mitte der 1990er Jahre tut sich etwas. Kirschey und die Wissenschaftler glauben, der über Jahre eingetragene und bislang am Grund des Sees, gebundene Phosphor löse sich nun wieder. Deshalb fordert der Nabu vom Land ein Sofort-Hilfe-Programm samt Dauerbeobachtung des Gewässers. Auch soll der Wasserspiegel weiter angehoben werden, damit der See Belastungen besser abfangen kann.

„Wie handeln bereits“, entgegnet Landesumweltamt-Präsident Freude. Mehr als zwei Millionen Euro seien in einem EU-Projekt in die Sanierung geflossen, um 15 Zentimeter sei der Wasserspiegel bereits angehoben worden. Langfristig soll er um weitere 50 Zentimeter steigen, dies ist ab 2011 möglich, wenn die Reste des Kernkraftwerkes verschwunden sind. „Wir müssen erst untersuchen, ob radioaktive Spuren im Boden sind“, so Freude.

Im Herbst will das Landesumwelt nun in der Umgebung des Stechlins bohren, und zwar ganz tief. Freude will prüfen lassen, ob dass Grundwasser in den unteren Schichten wirklich stark phosphorhaltig ist und vom Stechlin angezogen wird. Dass sich Phosphor aus dem Sediment löst, glaubt der Behörden-Präsident nicht. Für Freude ist die wahrscheinlichste Erklärung der Klimawandel. 2006 war ein heißer Sommer, kleine Moore sind ausgetrocknet. 2007 gab es mehr Regen. Phosphor aus den zersetzten Mooren ringsum wurde ausgespült und gelangte in den See. Höhere Temperaturen und eine steife Briese lassen zudem mehr Seewasser verdunsten, als durch Regen hinzukommt. Es entsteht ein Sog, der See „zieht Grundwasser aus tiefen Schichten an“. Das aber sei reich an Phosphor.

Trotz alledem könne man im Stechlinsee nach wie vor bedenkenlost schwimmen, sagt Tom Kirschey vom Nabu.

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