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Brandenburger Linke: Auf dem falschen Bein

Es rumort in der Brandenburger Linkspartei. Kritiker bemängeln programmatische Defizite.

Potsdam - Die Brandenburger Linkspartei will außer ihrer Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser keine weiteren früheren IMs der DDR–Staatssicherheit als Minister durchsetzen, falls es nach der Landtagswahl tatsächlich eine rot-rote Koalition im Land Brandenburg geben sollte. Darüber scheint es in den Kreisen der engeren Partei- und Fraktionsspitze Einigkeit zu geben. Man kenne schließlich die „Schmerzgrenze“ der von Ministerpräsident Matthias Platzeck geführten Sozialdemokraten, hieß es.

Auch vor diesem Hintergrund hat Landeschef Thomas Nord, der während seiner Armeezeit ebenfalls inoffizieller Mitarbeiter war und jetzt für den Bundestag kandidiert, schon vor längerer Zeit einen Kabinettsposten in Brandenburg kategorisch ausgeschlossen. Die Linken sind sich dem Vernehmen nach auch bewusst, dass der in der SPD als „Hardliner“ berüchtigte Potsdamer Abgeordnete und Stadtfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, zu DDR-Zeiten wie Kaiser und Nord ebenfalls einige Jahre als IM registriert, auf den Innenministerposten keine Chance hätte.

In und außerhalb der SPD hatte in letzter Zeit für Irritationen gesorgt, dass der Abgeordnete Scharfenberg – er war diese Legislaturperiode Vorsitzender des Innenausschusses im Landtag – als Mann für Inneres im neuen „Kompetenzteam“ der Linken von Kaiser präsentiert worden war, einer Art rotem „Schattenkabinett“. Allerdings hat es insgesamt zwölf Mitglieder. Alle halbwegs profilierten Abgeordneten der Landtagsfraktion sind in dem Team, darunter auch die, die tatsächlich als ministrabel und durchsetzbar gelten, wie der Wirtschaftsexperte Ralf Christoffers, die Bildungsexpertin Gerrit Große oder Kornelia Wehlan (Agrar/Umwelt).

Darüber hinaus könnte die Linke etwa bei der möglichen Besetzung des Justizressorts auf den Vize-Bundestagsfraktionschef und Ex-Bundesrichter Wolfgang Neskovic oder auf Ticket der Linken gewählte Brandenburger Verfassungsrichter zurückgreifen. Kaiser hatte ihre IM-Tätigkeit als Studentin im damaligen Leningrad Mitte der 90er Jahre eingestanden, damals ihr gewonnenes Bundestagsmandat niedergelegt. Auf Kaisers Homepage heißt es dazu: „Was ich falsch gemacht habe, wird mich ein Leben lang beschäftigen und quälen.“

Ungeachtet der rot-roten Spekulationen rumort es in den Reihen der Linken aber vor allem weiter wegen der Radikalisierung der Bundespartei unter Oskar Lafontaine. Jetzt sorgt „Vordenker“ Thomas Falkner, Strategie-Referent der Landtagsfraktion, Berater von Kaiser und früherer Chef der Grundsatzabteilung in der Berliner Bundesparteizentrale, für zusätzliche Aufregung. In einem Aufsatz für die „Berliner Republik“, dem Blatt der SPD-Netzwerker, geht er hart mit programmatischen Defiziten der Partei ins Gericht.

Die Linken seien von der weltweiten Krise auf dem falschen Bein erwischt worden, so Falkner. „Es rächten sich das Fehlen einer programmatischen, vor allem aber einer tatsächlichen politischen und strategischen Debatte.“ Teile der Partei lieferten sich einen „Überbietungswettlauf“ mit der demokratischen Konkurrenz, andere stellten die „Systemfrage“.  Die Menschen seien der sozialen Folgen der Krise wegen in Unruhe, so Falkner. Aber sie seien eben „nicht bereit“ der Linken zuliebe soziale Unruhen anzuzetteln. Die Linke habe „einen programmatischen und strategischen Nachholbedarf, der zumindest in Deutschland bis zur Bundestagswahl nicht aufgeholt sein wird“.

Die Linke brauche eine neue soziale Idee, so Falkner. Er selbst beurteilt den Anti-Hartz-IV-Wahlkampf der Linken von 2004 beispielsweise kritisch. „Politische Annäherungsprozesse wurden teils um Jahre zurückgeworfen.“ Falkner beklagt zugleich, dass der gemäßigte und reformorientierte Flügel der früheren PDS innerhalb der Linken unter Lafontaine zunehmen an den Rand gedrängt und stigmatisiert werde. Dagegen entwickle die Linke auf der anderen Seite „eine Breite und Offenheit gegenüber Kräften am linken Rand der Gesellschaft, gegenüber linksradikalen Vereinigungen und Sekten, gegen die sich sowohl SPD als auch Linke immer abgegrenzt hatten“. Brandenburgs Linke-Spitzenkandidatin Kerstin Kaiser würde zwar nicht jedes Wort Falkners unterschreiben. Aber Kaiser schätzt ihren Berater als „Brückenbauer“, sagt sie. „Er hat meinen Rückhalt.“ Thorsten Metzner

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