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© Hartfelder

Brandenburgs Teiche: Mit den Fischern stirbt die Natur

Vögel fressen ihre Bestände auf, die Fischerei steht vor dem Aus. Und damit auch die Natur, die sie pflegen. Brandenburgs Fischer werden die Subventionen gestrichen, die sie eigentlich bräuchten, um ihre Verluste zu kompensieren.

Das Wasser ist still. Sanft streicht der Wind durch das dichte Schilf, während sich die ersten Sonnenstrahlen auf der Oberfläche spiegeln. Da zerreißt ein lauter Knall die Idylle an dem kleinen Teich. Matthias Gramsch hat gerade einen Kormoran erlegt. Der 39-Jährige ist eigentlich Fischer, doch am Morgen macht er sich zuerst mit dem Gewehr auf den Weg. „Allein die Kormorane fressen 35 Prozent unseres Fischbestandes“, sagt der Teichwirt aus dem Luckauer Ortsteil Fürstlich Drehna im Landkreis Dahme-Spreewald. Insgesamt liege der Verlust sogar bei 70 Prozent, denn auch Fischadler, Graureiher, Möwen und Seeadler betrachten seinen Teich gewissermaßen als gedeckte Tafel. Daher haben Gramsch und seine Firmenpartnerin Gisela Bräuning-Krätzig für ihre naturgerechte Produktion bis vor kurzem noch Entschädigungszahlungen erhalten. Doch die Förderung wurde jetzt eingestellt. „Ohne den Zuschuss können wir bei den hohen Ausfallraten nicht mehr überleben“, sagt die Diplom-Fischingenieurin Bräuning-Krätzig.

Nicht anders geht es vielen anderen Teichwirten des Landes: Von der Fördermittelstreichung sind 34 Fischereien betroffen. „Viele Teichwirte stehen jetzt vor dem wirtschaftlichen Aus“, sagt Gernot Schmidt, Präsident des Landesfischereiverbandes Brandenburg-Berlin. Der Einschnitt könne kaum aufgefangen werden. Jährlich eine Million Euro hatten Bund, Land und Europäische Union mit dem Förderprogramm Kulap 2000 für die Pflege und Erhaltung der brandenburgischen Teichlandschaften bezahlt. Diese Unterstützung soll nun durch einen geringen Anteil aus Mitteln des Vertragsnaturschutzes ersetzt werden. Schmidt fordert von der Landesregierung kurzfristige Maßnahmen zur Existenzsicherung der Teichwirtschaftsbetriebe sowie eine Grundförderung. „Das Land bemüht sich um die Fortsetzung der Förderung“, entgegnet Jens-Uwe Schade, Sprecher des Umweltministeriums. „Die Bearbeitung in Brüssel dauert aber sehr lange.“

Die Teichbewirtschaftung ist zugleich aktiver Naturschutz

Für die kleine Fischerei in Fürstlich Drehna könnte die Streichung der Fördermittel das Aus bedeuten. 40 Teiche im Umkreis von 50 Kilometern gehören zu dem Betrieb von Gramsch und Bräuning- Krätzig, die Gesamtwasserfläche beträgt rund 150 Hektar. 40 Tonnen Speisefisch verkauft die Fischerei jährlich, ein Großteil davon an Geschäfte in ganz Deutschland, einiges auch an Fischerkollegen zur Zucht. „Absatzprobleme haben wir nicht, die Nachfrage übersteigt unsere Produktion“, sagt Gisela Bräuning-Krätzig. Die 56-Jährige würde gern mehr Fisch herstellen, doch bei den schwierigen Umweltbedingungen sei dies kaum möglich. Auch Joachim Dietz von der Teichwirtschaft Reckahn, Potsdam-Mittelmark, bekommt große Probleme. „Ohne die Fördermittel kann ich die Teiche nicht mehr bewirtschaften.“

Für Gisela Bräuning-Krätzig und Matthias Gramsch ist die Teichbewirtschaftung zugleich aktiver Naturschutz. „Wir wollen deshalb keine Fördermittel, sondern Ausgleichszahlungen für unsere Naturschutzarbeit.“ An den beiden Gewässern in Fürstlich Drehna befindet sich eine große Kormoran-Kolonie. „Hier füttern wir rund 60 Paare durch, die Teiche sind ihre Lebensgrundlage.“ Zwar haben sie für die unter Naturschutz stehenden Tiere eine Abschussgenehmigung erhalten – „aber das ist doch keine Lösung“.

Von den insgesamt mehr als 4000 Hektar großen brandenburgischen Teichflächen befinden sich 60 Prozent innerhalb von Naturschutzgebieten. Wiederum rund 90 Prozent davon gehören zum europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000. „Teiche sind wertvolle Lebensräume für zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten“, sagt der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Nabu, Tom Kirschey. Viele vom Aussterben bedrohte Vogelarten seien auf Fischteiche als Brut-, Rast und Mausergebiet angewiesen. Der Nabu verlangt daher eine Grundförderung für die Teichwirtschaft. „In anderen Landwirtschaftszweigen ist eine Förderung als Flächenprämie selbstverständlich“, sagt Kirschey.

Gegen ihr ökologisches Credo: Sie überspannen die Teiche mit Netzen

Gisela Bräuning-Krätzig und Matthias Gramsch versuchen alles, um die Verluste bei der Fischproduktion einzugrenzen. So haben sie beispielsweise die Futterstellen in ihren Teichen mit Netzen überspannt, da sich ein Großteil der Fische dort ständig aufhält. Sie bieten einen kleinen Schutz vor den Vögeln. Das widerspreche zwar ihrem ökologischen Ansatz, „wir haben aber keine andere Wahl“, sagen die beiden Fischer. Im vergangenen Jahr waren in ihrem Betrieb noch sechs Mitarbeiter beschäftigt. „Die Hälfte mussten wir schon entlassen“, sagt Bräuning-Krätzig. Seitdem arbeite sie fast rund um die Uhr, um die Fischerei am Leben zu halten und die lange Familientradition fortzusetzen. Dennoch könnten sie nicht mehr alle Teiche weiterbewirtschaften. Die Gewässer mit den seltenen Kleinfischen Schmerlen, Bitterling und Modderlieschen müssten aufgegeben werden. „Wir werden uns auf die kleineren Teiche konzentrieren, die produktionssicher sind und die wir beherrschen.“

„Die Teichwirte leisten neben der eigentlichen Fischproduktion viel für die Wahrung des Naturerbes“, sagt Nabu- Chef Kirschey. Sollten die Betreiber der Teichwirtschaften ihre Gewässer aufgegeben, könnten die Erhaltungsziele der Naturschutzgebiete nicht mehr erreicht werden.

Für Gisela Bräuning-Krätzig und Matthias Gramsch aber sind „Erhaltungsziele“ schon längst bedeutungslos. „Wir wollen einfach nur überleben.“

Lars Hartfelder

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