zum Hauptinhalt

Brandenburg: Bundesrichter kandidiert für Linkspartei

BGH-Mitglied Wolfgang Neskovic wurde bekannt mit dem Urteil zum „Recht auf Rausch“

Potsdam - Kurz vor ihrem Parteitag am kommenden Sonnabend, auf dem die Landesliste für die Bundestagswahl beschlossen werden soll, wartet die Brandenburger Linkspartei/PDS mit einem Coup auf. Auf dem sicheren Listenplatz vier wird als Unabhängiger ein prominenter, wenn auch umstrittener Bundesrichter kandidieren: Wolfgang Neskovic aus Lübeck, der durch sein Eintreten für eine liberale Drogenpolitik bekannt wurde. Dies bestätigte der Richter am Bundesgerichtshof (BGH) gestern. Im Falle seiner Wahl müsste er sein Richteramt ruhen lassen.

Neskovic ist einer der wenigen Prominenten, die die Linkspartei bisher für ihre offenen Landeslisten gewinnen konnte. PDS-Bundeschef Lothar Bisky will die Kandidatur heute auf einer Pressekonferenz in Potsdam offiziell bekannt geben. Neskovic hatte 1992 als Vorsitzender Richter am Lübecker Landgericht mit einem spektakulären Urteil bundesweites Aufsehen erregt: Er sprach darin vom „Recht auf Rausch“, forderte die Gleichbehandlung von Cannabis und Alkohol. Beim Bundesverfassungsgericht, dem er das Urteil vorlegte, erreichte er zwar nicht die Legalisierung von Haschisch, aber immerhin, dass der Besitz weicher Drogen in geringfügigen Mengen zum Eigenkonsum nicht mehr verfolgt wird.

Nicht nur deshalb war seine Wahl zum Richter am Bundesgerichtshof 2002 heftig umstritten. Der streitbare Jurist hatte den BGH einmal als „Bastion der Ignoranz“ bezeichnet und die Arroganz der Richter beklagt. Das BGH-Präsidium lehnte ihn denn auch prompt als „fachlich ungeeignet“ ab – doch der unabhängige Richterwahlausschuss wählte ihn trotzdem. Neskovic konnte sein Amt zunächst wegen der Klage eines Mitbewerbers nicht antreten. Und es entbrannte ein heftiger Streit um die Berufung: Konservative Justizkreise forderten, dass gegen den Willen des Präsidiums kein BHG- Richter gewählt werden dürfe. Doch der Wahlausschuss ließ sich nicht beeindrucken und wählte ihn im zweiten Anlauf einstimmig zum Bundesrichter.

Auch die politische Laufbahn des Lübeckers ist bewegt: 1995 wechselte er nach 15-jähriger Mitgliedschaft in der SPD, wo er Mitglied des Landesvorstands Schleswig-Holstein war, zu den Grünen. Dort eckte er an, als er deren Haltung zum Kosovo-Einsatz der Bundeswehr kritisierte und vor der Landtagswahl im Februar 2000 dazu aufforderte, keine „Kriegspartei“ zu wählen, also auch nicht die Grünen. Doch ein gegen ihn – den Vorsitzenden des Landesschiedsgerichtes der Partei – eingeleitetes Ausschlussverfahren scheiterte.

Vor kurzem trat Neskovic dann von selbst aus. Da hatte er wohl schon seine neue Karriere als Bundestagsabgeordneter auf PDS-Ticket im Blick. Eingeweihte sagen, dass „die Zusage seit längerem steht“, Neskovic nur das Votum des Bundespräsidenten für Neuwahlen abwarten wollte.

Der einmal „Paradiesvogel“ genannte Westimport dürfte zwar nicht allen PDS- Genossen geheuer sein – eine Bereicherung dürfte er allemal sein, auch wenn sich die Partei auf einiges gefasst machen muss. Und auch die Wahlalternative WASG akzeptiert, dass sich ihr Spitzenkandidat Steffen Hultsch nun mit Platz 6 der PDS-Liste begnügen muss.

Michael Mara

Zur Startseite