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Brandenburg: „Das Damenprogramm hat mich immer genervt“

Wann hat Ihnen Ihr Mann mitgeteilt, dass er zurücktritt? Am Sonnabend, bevor er zum Landesparteitag nach Wittenberge gefahren ist.

Wann hat Ihnen Ihr Mann mitgeteilt, dass er zurücktritt?

Am Sonnabend, bevor er zum Landesparteitag nach Wittenberge gefahren ist. Wir saßen beim Frühstück und er sagte: „Nur, damit Du es nicht aus den Medien erfährst: Ich gebe heute meinen Rücktritt bekannt.“

Waren Sie überrascht?

Nein. Mein Mann hat mich schließlich auch nicht gefragt, als er sich entschloss, Ministerpräsident zu werden. Vielleicht hält er mich ja für geschwätzig. Jedenfalls bin ich solche Situationen gewöhnt.

Das spricht nicht gerade von einem Vertrauensverhältnis in der Ehe.

Unserer Ehe hat es nie geschadet, dass mein Mann Dienstliches und Privates streng voneinander getrennt hat. Und was das Vertrauen angeht: Natürlich haben wir oft darüber geredet, wie lange er im Amt bleibt. Ich habe ja seit seinem 65. Geburtstag intensiv daran gearbeitet, dass er den Platzeck ranlässt.

Wer rief an diesem Sonnabend zuerst an?

Ein Freund aus Greifswald. Der hat Fußball geguckt und da lief die Meldung plötzlich unten im Nachrichtenticker. Danach riefen Friede Springer und Barbara Scheel an. Und dann klingelte das Telefon den ganzen Tag.

Wie fühlt man sich, wenn man nicht mehr die „First Lady“ ist?

Wunderbar. Mal abgesehen davon, dass ich mich mit der Rolle der First Lady immer schwer getan habe, bin ich glücklich, dass mein Mann den richtigen Zeitpunkt für den Rücktritt gefunden hat.

War es wirklich der richtige Zeitpunkt – nach den Hiobsbotschaften vom CargoLifter und vom Lausitzring beziehungsweise nach der Rüge des Bundespräsidenten?

In den Medien wurde spekuliert, dass er deshalb zurückgetreten wäre. Das ist Quatsch. Wer meinen Mann kennt, der weiß, dass er nicht kneift, wenn es brenzlig wird. Nee, das mit dem Rücktritt jetzt hat er wahrscheinlich wirklich schon vor einem halben Jahr mit Matthias Platzeck und seinem Staatskanzleichef Rainer Speer ausgetüftelt.

Welche Reaktionen haben Sie nach der Ankündigung des Rücktritts erlebt?

Unterschiedliche. Freunde haben ihm, nachdem sich die Überraschung gelegt hatte, zu der Entscheidung gratuliert. Meine Nachbarin, der ich es am Gartenzaun gesagt habe, fing gleich an zu weinen. Das fand ich übertrieben. Er ist doch nur als Ministerpräsident zurückgetreten. Auch einige meiner Patienten haben so emotional reagiert. Und mich gefragt: „Verlassen Sie uns jetzt auch noch?“

Und tun Sie es?

Natürlich nicht. Ich bin Ärztin und liebe meine Arbeit, auch wenn sie manchmal hart ist. Außerdem habe ich ja erst 1991 meine Praxis eröffnet. 150 000 Mark Schulden arbeitet man in elf Jahren nicht ab.

Was ändert sich für Sie?

Zum Glück fällt der Klamotten-Stress nun weg. Das so genannte begleitende Damenprogramm hat mich immer genervt. Und auch die vielen anderen Termine: Ich kam nach einem anstrengenden Arbeitstag ziemlich fertig nach Hause und hatte noch eine Stunde Zeit, um ins Abendkleid zu steigen und auf Smalltalk umzuschalten. Oder Interesse für den neuesten Backofen eines Landfrauenvereins aufzubringen. Und letztlich trifft man immer dieselben Leute.

Haben Sie sich in den zwölf Jahren als Ministerpräsidentengattin nicht daran gewöhnt?

Nein. Aber ich habe viel gelernt. Zum Beispiel, wie man exotische Leckerbissen, die man nicht mag, dezent unter den Salatblättern verschwinden lassen kann. Ich war immer froh, wenn Salat auf dem Tisch stand.

Auf dem Abschiedsempfang am vergangenen Donnerstag hat Richard von Weizsäcker Ihren Mann ausdrücklich gegen Vorwürfe wegen seiner Stasi-Kontakte in Schutz genommen.

Richard von Weizsäcker kann das auch gut einschätzen, er hat in der Zeit, als er nicht mehr Regierender Bürgermeister von Berlin und noch nicht Bundespräsident war, oft mit meinem Mann zu tun gehabt.

Warum hat er sich dann nicht früher so eindeutig zu Ihrem Mann bekannt?

Fragen Sie mich nicht, das ist wohl höhere Politik, damit kenne ich mich nicht aus. Da hätten ja viele was sagen können – die wussten doch alle, wie wichtig dieser Stolpe als Vermittler war.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie unter den Stasi-Vorwürfen mehr gelitten hätten als Ihr Mann. Warum?

Eine Zeit lang war die ganze Familie in Mitleidenschaft gezogen. Die Journalisten kamen in meine Arztpraxis, belästigten unsere Tochter – es war menschenunwürdig, eklig. Und ich fand es so ungerecht: Ausgerechnet jene, für die sich mein Mann in der DDR eingesetzt, denen er beispielsweise das Gefängnis erspart und die Ausreise ermöglicht hat – ausgerechnet die haben ihn hinterher beschimpft. Und sogar noch behauptet, er habe Geld dafür bekommen. Lächerlich. Ihm ging es nie ums Geld.

Hat er damals Ihren Zuspruch gebraucht?

Nicht wirklich. Er hat immer gesagt: „Wenn ich zurücktrete, dann denken die, dass ich mir tatsächlich etwas vorzuwerfen habe.“ Er war entschlossen, das durchzustehen. Ich habe allerdings nie an ihm gezweifelt.

Und wie sind Sie damit fertig geworden?

Wenn ich gar nicht mehr konnte, habe ich mir Blumen gekauft. Einfach, um etwas Schönes zu sehen.

Ihr Mann soll jetzt „die Stimme des Ostens“ sein, die Nachfolge von Regine Hildebrandt antreten. Hatten Sie eine enge Beziehung zu ihr?

Nein, aber ich habe bewundert, wie sie mit ihrer schweren Krankheit umgegangen ist. Dass jemand bis zur letzten Sekunde in der Öffentlichkeit steht, aktiv bleibt und sich dann hinlegt und – wie es so schön heißt – in Frieden einschläft, das erlebe ich bei meinen Krebspatienten selten.

Sie begleiten auch Sterbende?

Ja, und es ist immer schwer. Es stirbt sich nämlich meist nicht so schnell. Und die Angehörigen sind oft mit der Situation überfordert und eben auch ziemlich allein gelassen.

Sie engagieren sich ja in vielen sozialen Projekten. Werden Sie das weiter tun?

In der Aktion „Umwelt für Kinder“ will ich auf jeden Fall weiter mitarbeiten. Wenn bei anderen Projekten meine Schirmherrschaft nicht automatisch erlischt, werde ich mich auch da engagieren. Obwohl mir manchmal Zeit fehlt und ich mich gern mehr um unseren Enkel Felix kümmern würde, der acht Monate alt ist und uns viel Freude bereitet.

Was sagen Sie zum Abschied Ihrer „Kollegin“ Ingrid Biedenkopf?

Ich würde nie auf die Idee kommen, irgendwo Rabatt herauszuhandeln. Dafür bin ich wahrscheinlich zu dämlich. Und hätte permanent ein schlechtes Gewissen.

Gibt es Politikerfrauen, die sie bewundern?

Christiane Herzog hat mir wegen ihrer handfesten, zupackenden Art immer imponiert.

Und bei den Männern?

Da fand ich den Genscher ganz gut. Aber diese Politiker-Generation stirbt aus. Leider.

Gab es Momente, in denen Sie bereuten, die Frau von Manfred Stolpe zu sein?

Nein. Wir waren schon als Studenten zusammen. Als mir vor dem Examen schlecht wurde, hat er sogar mal Essen gekocht. Kartoffelbrei – das Einzige, was er bis heute kochen kann.

Aber er war immer viel unterwegs.

Ja, vielleicht verstehen wir uns deshalb noch so. Vielleicht sorgt das für ein gutes Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz. Trotzdem freue ich mich darauf, jetzt öfter mit ihm zusammen sein zu können. Vielleicht.

Das Interview führte Sandra Dassler

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