zum Hauptinhalt

Brandenburg: Das Land der Rentner

Bald ist jeder dritte Brandenburger über 65 Jahre alt. Städte werden bis zu 40 Prozent ihrer Einwohner verlieren. Doch viele Kommunen ignorieren das Problem

Potsdam - Die Warnungen nehmen zu: In Brandenburg drohen in den nächsten 25 bis 30 Jahren regelrechte Siedlungswüsten. Namentlich in den ländlichen Räumen werden Städte und Gemeinden aufgrund des dramatischen Rückgangs der Bevölkerung durch Geburtentief und Abwanderung ausbluten.

„Das Thema wird immer noch unterschätzt, die Konsequenzen daraus werden nicht erkannt“, sagt Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. „Wir können uns um das Problem nicht herummogeln.“

Dabei liegen sogar detaillierte Bevölkerungsvorausschätzungen für jede brandenburgische Kommune bis zum Jahr 2030 vor, die eigentlich bei Bürgermeistern und Landesregierung Alarm auslösen müssten. Schon im letzten Jahr hat das Landesamt für Bauen und Verkehr diese hochbrisante Studie fertig gestellt, die jedoch bis heute weitgehend unbeachtet blieb. „Es gibt leider noch zu viele Städte, die diese Prognosen ignorieren“, stellt Infrastrukturminister Reinhold Dellmann (SPD) fest.

Nach der Vorausschätzung wird ein Großteil der Städte in den ländlichen Regionen bis 2030 (im Vergleich 2004) zwischen 20 und knapp 40 Prozent seiner Einwohner verlieren. Betroffen sind nicht zuletzt einstige Industriehochburgen der DDR. So werden die geschätzten Bevölkerungsverluste in Wittenberge (Landkreis Prignitz) 38,1 Prozent betragen, in Schwedt an der Oder (Landkreis Uckermark) 30,4 Prozent, in Premnitz (Landkreis Havelland) 27,2 Prozent. Betroffen sind fast alle Städte, die fern von Berlin liegen: Guben (Spree-Neiße) mit 32,4 Prozent; Kyritz (Ostprignitz-Ruppin) mit 28,2; Wittstock/Dosse (Ostprignitz-Ruppin) mit 24,6; Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin) mit 24,3; Angermünde (Landkreis Uckermark) mit 24,0; Eberswalde (Landkreis Barnim) mit 23,4 Prozent. Brandenburg/Havel, Cottbus und Frankfurt(Oder) – neben Potsdam die größten Städte des Landes – werden jeden fünften Einwohner verlieren.

Hingegen können die Städte im Berliner Umland mit teils enormen Bevölkerungszuwächsen rechnen: An der Spitze steht dabei Dallgow-Döberitz (Havelland) mit 42,7 Prozent, gefolgt von Teltow (Potsdam-Mittelmark) mit 36,8 Prozent, Falkensee (Havelland) mit 29,8 und Hoppegarten (Märkisch-Oderland) mit 26,7 Prozent. Für Potsdam sagen die Experten einen Einwohneranstieg um rund zehn Prozent voraus – genau wie für Schönefeld, das enorm vom Flughafenbau profitieren wird.

Mit dem starken Rückgang der Bevölkerung in den ländlichen Regionen Brandenburgs um insgesamt rund 363 500 Menschen (23 Prozent) bis 2030 geht ein dramatischer Alterungsprozess einher. Das Bild in den Landstädten wird in Zukunft immer mehr von älteren Menschen geprägt werden. Denn der Studie zufolge wird die Zahl der Kinder unter 15 Jahren dort um 67 700 oder 24 Prozent drastisch schrumpfen. In einer Reihe von Kommunen wie Wriezen, Neuhardenberg oder Letschin (Märkisch-Oderland), Guben, Kolkwitz (Spree-Neiße) werden 2030 rund die Hälfte weniger Kinder leben als heute, in Seelow-Land sogar 62 Prozent. Auch die Zahl der 15- bis unter 65-Jährigen ist nach der Studie stark rückläufig.

Dafür wird es starken Zuwachs bei den Menschen ab 65 Jahren geben, und zwar um rund 285 000 Personen oder 59 Prozent. Nach der Prognose wird 2030 mehr als ein Drittel der Brandenburger 65 Jahre und älter sein. In einer Reihe von Städten, gerade auch im Berliner Umland, wo viele Seniorenheime entstehen, wird die Zahl der über 65-jährigen sogar um ein Mehrfaches zunehmen, so in Ahrensfelde (um 285 Prozent), Dallgow-Döberitz (um 251 Prozent), Großbeeren (um 250 Prozent) oder Hoppegarten (um 244 Prozent).

Angesichts dieser unaufhaltsamen Entwicklung fordern Brandenburger Politiker jetzt eine breite regionale und kommunale Debatte über „dieses Mega-Thema“, so SPD-Generalsekretär Klaus Ness. „Entscheidend sind gute kommunale Konzepte“, sagt Minister Dellmann. Aber klar sei auch, dass das Land die Programme für den Stadtumbau forcieren müsse. Dellmann warnt gleichwohl vor Fatalismus und Resignation: „Man muss das Beste daraus machen und darf den Kopf nicht in den Sand stecken.“

Michael Mara

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false