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Brandenburg: Das Land lebt weit über seine Verhältnisse

Brisante Studie belegt: Trotz leerer Kassen gibt Brandenburg viel mehr Geld aus als vergleichbare Bundesländer

Von Michael Mara

Potsdam. Obwohl Brandenburg zu den ärmsten und höchstverschuldeten deutschen Bundesländern gehört, gibt es in fast allen Bereichen mehr Geld aus als Sachsen oder finanzschwache Westländer wie Schleswig-Holstein. Das geht aus dem ersten, bislang geheimgehaltenen wissenschaftlichen Ländervergleich hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Der Autor des „Benchmarking-Reports Brandenburg“, der Ökonomie- Professor Helmut Seitz von der Viadrina in Frankfurt (Oder), mahnt eine „fundamentale Kurskorrektur“ an. Das Land gerate sonst in eine „finanzpolitisch gefährliche Schieflage“.

Die vom Finanzministerium in Auftrag gegebene 126-Seiten-Untersuchung gilt in der großen Koalition als „politischer Sprengstoff“: Sie dokumentiert nicht nur den finanzpolitischen Fehlkurs des Landes in der „Ära Stolpe“, sondern benennt auch die Felder, in denen dramatische Einschnitte nötig sind. Gegenüber Sachsen ist die Diskrepanz besonders extrem: Die „laufenden und konsumtiven Ausgaben“ müssten auf Landesebene nach den Berechnungen von Seitz um eine Milliarde Euro gesenkt werden, um auf sächsisches Niveau zu kommen. Der Landeshaushalt hat ein Gesamtvolumen von rund neun Milliarden Euro. Die Kommunen müssten 400 Millionen Euro weniger ausgeben.

Nach der Analyse von Seitz sind die überhöhten Ausgaben vor allem auf den aufgeblähten Personalbestand im Verwaltungsapparat der Landesregierung und der Kommunen zurückzuführen: Brandenburgs Landesregierung leistet sich je 100 000 Einwohner nach der Studie 170 Bedienstete mehr als Sachsen und 570 mehr als vergleichbare West-Flächenländer. Um deren Niveau zu erreichen, müssten 15 000 Stellen gestrichen werden. „Überbesetzt“ sind die zentrale Verwaltung (mit 25 Stellen je 100 000 Einwohner), die Polizei (mit 50), die Schulen (mit ca. 100), aber auch Forstwirtschaft, Straßenbau, Gerichte. Brandenburg habe, so Seitz, nach Sachsen-Anhalt mit Abstand den höchsten Personalbesatz aller Flächenländer bei der Polizei, was durch Kriminalität und Unfallgeschehen nicht gerechtfertigt sei. Nur bei den Hochschulen hat Brandenburg im Vergleich zu Sachsen 110 Stellen je 100 000 Einwohner weniger. Kürzungen hält Seitz deshalb hier nicht für vertretbar.

Auch die ständig über ihre Finanznot klagenden Kommunen schöpfen beim Personal aus dem Vollen: Je 100 000 Einwohner leistet sich Brandenburg 100 Bedienstete mehr als Sachsen und 400 Bedienstete mehr als die West-Länder. Rund 10 000 Bedienstete müssten in den Kommunen im Vergleich zu letzteren eingespart werden. Besonders auffallend, so Seitz in seinem Gutachten, ist die Überbesetzung im Kita-Bereich: Rund 150 Stellen je 100 000 Einwohner mehr als in Sachsen und 180 mehr als in West-Flächenländern. Je Einwohner gibt Brandenburg (Land und Kommunen) nach der Studie zwar 400 Euro mehr aus als Sachsen, jedoch vor allem für Konsum. Bei den Investitionen hingegen liegt das Land um rund 100 Euro hinter Sachsen zurück. Andererseits ist Brandenburg neben Sachsen-Anhalt das Land mit den höchsten Pro-Kopf-Schulden (5214 Euro). Auffallend ist, dass die finanzschwachen West-Länder in nur zwölf Jahren bei der Verschuldung und den Zinsausgaben pro Kopf inzwischen überholt wurden. Weil bei den Zinsausgaben nicht eingespart werden kann, kommt Seitz zu dem Schluss, dass vor allem in folgenden Bereichen drastische finanzielle Einschnitte unumgänglich sind: Personal, Sozialleistungen, Zahlungen an öffentliche und private Unternehmen.

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