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Brandenburg: DDR-Unrecht: Viele Vorwürfe ließen sich in Verfahren nicht erhärten

Harte Freiheitsstrafen gegen Ausreisewillige, brutale Misshandlung von inhaftierten Regimekritikern oder Doping von Minderjährigen - über 20 000 Fälle von DDR-Unrecht haben seit der Wende die brandenburgische Schwerpunktabteilung für DDR-Unrecht in der Staatsanwaltschaft Neuruppin beschäftigt. Mit Ablauf des 2.

Harte Freiheitsstrafen gegen Ausreisewillige, brutale Misshandlung von inhaftierten Regimekritikern oder Doping von Minderjährigen - über 20 000 Fälle von DDR-Unrecht haben seit der Wende die brandenburgische Schwerpunktabteilung für DDR-Unrecht in der Staatsanwaltschaft Neuruppin beschäftigt. Mit Ablauf des 2. Oktobers verjähren diese Taten des "mittelschweren" DDR-Unrechts wie Rechtsbeugung, Doping und Körperverletzung im Strafvollzug. Die Bilanz der Strafverfolgung ist aus Sicht der Ermittler zufriedenstellend.

"Wir haben im Wesentlichen das erreicht, was wir im Laufe der Entwicklung erhoffen konnten", meint der Leitende Oberstaatsanwalt von Neuruppin, Gerd Schnittcher. Dabei sei wichtig, dass sich Erfolg und Misserfolg nicht an dem Verhältnis zwischen Ermittlungsverfahren und Verurteilungen oder gar einer bestimmten Strafhöhe messen lassen. "Es musste deutlich werden, dass für solches Unrecht nicht der Lauf der Geschichte, nicht Systeme und Apparate, sondern Menschen verantwortlich sind."

Doch für viele der damaligen Opfer, die in den vergangenen Jahren in Gerichtssälen ihren einstigen Peinigern - ob Richter, Staatsanwälte oder Gefängniswärter - gegenübersaßen, wirkten die nach ihrem Empfinden oft milden Urteile oder gar Freisprüche wie ein Schlag ins Gesicht.

"Dieses Urteil ist eine Verhöhnung der Opfer von damals und nimmt ihnen nochmals die Würde", kommentierte Ende August ein Vertreter vom Bürgerbüro Verein zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur einen Urteilsspruch des Potsdamer Landgerichts. Damals waren drei ehemalige DDR-Richter vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen worden. Lediglich ein vierter Angeklagter wurde verurteilt. Doch Schnittcher betont, "den Opfern dieses Unrechts kann man mit den Mitteln des Strafrechts nur vereinzelt gerecht werden". Dies liege schon an der zu hohen Erwartung von Geschädigten. "Das Strafrecht ist ohnehin kein Instrument zur Bewältigung der historischen Vergangenheit", so Schnittcher.

Allein rund 19 300 Fälle zum Verdacht von Rechtsbeugung hat die 1992 gegründete Schwerpunktabteilung für Brandenburg bearbeitet. Der überwiegende Teil endete mangels hinreichenden Tatverdachts mit Einstellung. Von den 34 Angeklagten wurden 20 zu Freiheitsstrafen mit Bewährung verurteilt, elf freigesprochen. Zum Verdacht der Körperverletzung im DDR-Strafvollzug wurden laut Schnittcher etwa 2800 Ermittlungsverfahren geführt. Gegen 19 Personen kam es zur Anklage. Unter anderem wurden zehn Beschuldigte zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt. Wegen des Vorwurfs des Dopings ermittelte die Schwerpunktabteilung gegen 171 Beschuldigte, in drei Fällen ergingen Strafbefehle in Form von Geldstrafen.

Bundesweit in die Schlagzeilen geriet Brandenburg vor allem mit dem Verfahren um die Verfolgung des DDR-Regimekritikers Robert Havemann, dass nach insgesamt fünfjähriger Prozessdauer Mitte August - zumindest vorläufig - mit Freiheitsstrafen von einem Jahr für zwei frühere DDR-Staatsanwälte zu Ende ging.

Nach Angaben von Schnittcher gab es für die Ermittler immer wieder Enttäuschungen. So habe eine bestimmte Kammer eines Landgerichts zehn Anklagen wegen Rechtsbeugung mit teils abwegiger Begründung nicht zugelassen. Diese Entscheidungen konnten erst über das Oberlandesgericht aufgehoben werden - Zeit genug für zwei Ex-DDR-Richter, sich durch Flucht dem Strafverfahren zu entziehen.

Anders als die so genannten mittelschweren Fälle von DDR-Unrecht, wie Rechtsbeugung, Doping und Körperverletzung im Strafvollzug verjähren die Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze oder die Verhängung von Todesstrafen noch nicht am 2. Oktober um 24.00 Uhr. Nach Angaben der Schwerpunktabteilung DDR-Unrecht sind noch nicht alle Ermittlungsverfahren abgeschlossen. "Es ist aber nur noch mit wenigen Hauptverhandlungen zu rechnen", sagte Schnittcher. Bislang gab es nach seinen Angaben 41 Ermittlungsverfahren wegen Gewalttaten an der früheren innerdeutschen Grenze.

Imke Hendrich

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