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Brandenburg: Denkmalschutz: Ihr setzt keiner ein Denkmal

Schon früh am Morgen versammelt sich das Problemlösungskomitee am Rand der Baugrube. Unter den mittelalterlichen Schichten der alten Burg Lenzen im nordwestlichsten Zipfel des Landes ist man auf außergewöhnlich gut erhaltene slawische Siedlungsreste gestoßen.

Schon früh am Morgen versammelt sich das Problemlösungskomitee am Rand der Baugrube. Unter den mittelalterlichen Schichten der alten Burg Lenzen im nordwestlichsten Zipfel des Landes ist man auf außergewöhnlich gut erhaltene slawische Siedlungsreste gestoßen. Das ist schön für Archäologen und Historiker und schlecht für den BUND, der hier die "Ökoburg", ein Gästehaus für das neue Umweltbildungszentrum bauen wollte. Was nun?

Den aufgebrachten Schilderungen von Bauherr und Baufirma lauscht Ortrud Effenberger, Chefin der Unteren Denkmalschutzbehörde des 2123 Quadratkilometer großen Landkreises Prignitz. Sie war von Anfang an dabei, kann das diesjährige Jubiläum des Brandenburgischen Landesdenkmalschutzgesetzes auch privat feiern. Sozusagen als Dienstjubiläum. Seit gut zehn Jahren versucht die 48-Jährige nun mit ruhiger Stimme und bedächtiger Art, Bauwirtschaft und Denkmalschutz unter einen Hut zu bringen und entscheidet dabei - wie im Fall Lenzen - über weit mehr als das Schicksal eines alten Gemäuers: Der Ausbau der alten Burganlage zum Umweltzentrum bedeutet Arbeitsplätze für eine strukturschwache Region. Der Denkmalschutz nicht.

Fünf Tage die Woche fährt Ortrud Effenberger mit ihrem Mini-Mercedes hin und her durch Prignitz, von Denkmal zu Denkmal, immer in Eile und trotzdem oft zu spät. Auch, weil sie an einem schönen alten Haus nicht vorbei fährt, sondern lieber einen Stau verursacht, um genau zu gucken. Oder weil sie Umwege zu anderen Bauwerken macht. Etwa zum Schlösschen Gadow. Dort wurde renoviert und das zur Zufriedenheit der studierten Kunstexpertin. Sie beguckt die frisch gestrichene Fassade des 1853 im Stil der Tudorgotik errichteten Gebäudes, nickt und hastet weiter Richtung Büro.

Sie hat gerade die Brote ausgepackt, da klopft es an die Tür: "Kann ich mal eben reinkommen, ich habe da so einen alten Bauernhof." Ein alte Frau tritt ein, erzählt von dem Hof, dem kaputten Dach und fragt sich, ob die Denkmalschützer ihr vielleicht Geld geben könnten für die Reparatur. Können sie nicht. Dann klopft der Nächste, der wissen will, wie er die Restaurierung der Neuapostolischen Kirche in Wittenberge finanzieren kann. Ortrud Effenberger rechnet etwas zusammen. Hier ein bisschen, dort ein bisschen. "Artistische Töpfeakrobatik" nennt sie das und wünscht sich für die Zukunft einen Landesdenkmalfonds. Dabei hat sie es schon vergleichsweise gut. In dem unübersichtlichen Gebiet der Denkmalpflege kann sie zumindest auf einen kreiseigenen Denkmalschutzetat zurückgreifen - was längst nicht für alle Kreise gilt. Und groß genug ist ihr Finanzrahmen auch nicht: "200 000 Mark für Kirchen und private Denkmäler sind verdammt wenig", sagt sie und weiß gleichzeitig, dass auch kleine Beträge "moralisch für die Akzeptanz von Denkmalpflege große Bedeutung" haben. Außerdem habe sie "viel daraus gemacht". Seit 1991 wurden im Landkreis 311 Denkmale und drei Denkmalbereiche unter Schutz gestellt. Insgesamt flossen in den letzten neun Jahren 2,3 Millionen Mark aus der Kreiskasse in die Denkmalpflege. Tendenz abnehmend.

Für mehr müsste sie mit Abgeordneten streiten, was sie nicht mag. Ortrud Effenberger arbeitet lieber an der Basis, wo auch schon Pfarrer Worch von der evangelischen Kirche Wittenberge auf sie wartet. Er wollte eigentlich nur die äußere Hülle des neugotischen Gotteshauses sanieren lassen und stieß dabei auf Spitzbögen, Säulen und eine hölzerne Decke.

Ortrud Effenberger klettert auf das schmale Baugerüst, um den wiedergefundenen Urzustand der Kirche zu begutachten. Pfarrer Worch ist entzückt. Er will das Original wiederhaben. Endlich könne er dann die jahrzehntelang vermauerten Fenster der Apsis wieder öffnen. "Die Menschen sollen endlich wieder die Sonne im Osten aufgehen sehen", sagt er und freut sich schon. Erbaulich auch der Anblick des Verwaltungsgebäudes des ehemaligem Nähmaschinenwerkes, restaurierte Industriearchitektur der 30er Jahre. Strahlend weiß präsentiert das Kulturhaus der 50er Jahre Neuklassizismus stalinistischer Prägung. Auf den Weg zum nächsten Termin richtet Ortrud Effenberger die Aufmerksamkeit wieder mehr auf die Häuser, als auf den Straßenverkehr und wird oft angehupt.

Im Umgang mit Menschen ist sie nicht so taub. Praktizierte Bürgernähe nennt sie es, wenn sie fast täglich Briefe nach Hause bekommt, mit Fragen zu alten Häusern, zu Nachbars Schloss oder Problemen beim Anbau. Dann rückt sie wieder aus, eilt sich und kommt doch zu spät zur Tagung des Problemlösungskomitees.

Hanne Bahra

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