zum Hauptinhalt

Brandenburg: Der Bürgermeister und das kleine Wunder an der Neiße

Am heutigen Montag wird der neue Grenzübergang in Forst eröffnet

Von Sandra Dassler

Von Sandra Dassler

und Regina Dachowna

Forst/Brody. Manche sprechen von einem kleinen Wunder, andere gar von einer Wandlung des Saulus zum Paulus: Wenn am heutigen Montag der neue Grenzübergang vom südbrandenburgischen Forst ins polnische Zasieki eröffnet wird, geht eine zwölfjährige Geschichte zu Ende. Sie begann 1990, als der damalige Bürgermeister im polnischen Brody, Zbigniew Wilkowiecki, zumindest eine der im Krieg zerstörten fünf Brücken über die Neiße wieder aufbauen wollte.

Doch während im 30 Kilometer entfernten Guben schon zu Beginn der 90er Jahre mit dem polnischen Gubin zusammengearbeitet wurde, gab es in Forst viel Widerstand gegen eine Direktverbindung ins Nachbarland. Die Einwohner fürchteten Autoschlangen mit deutschen Einkaufstouristen. Die Geschäftsleute sahen mit Argwohn auf die Konkurrenz von polnischen Bäckern oder Handwerkern. Und der Forster Bürgermeister, Gerhard Reinfeld (CDU), begründete sein „Nein“ zu einer innerstädtischen Brücke vor allem mit der hohen Grenzkriminalität.

Reinfeld machte damals aus seiner Ablehnung einer Partnerschaft mit Polen nie ein Hehl. Deshalb schalteten sich Mitte der 90er Jahre sogar Politiker aus Potsdam und Vertreter der Euroregion „Spree-Neiße-Bober“ in den Streit ein. Vergebens – der Bürgermeister blieb stur, und da er wieder gewählt wurde, fühlte er sich durch die Einwohner bestätigt. Böse Zungen behaupteten damals, dass er so vehement gegen eine Brücke im Stadtzentrum kämpfte, weil er selbst an einer ihrer Zufahrtsstraßen wohnte.

Wer den Forster Bürgermeister jetzt erlebt, könnte tatsächlich an eine wundersame Wandlung glauben. Schon bei der Grundsteinlegung zur heute eröffneten Brücke sprach er davon, dass „die Entwicklung von Forst nicht zu trennen ist von der Entwicklung der gegenüberliegenden polnischen Region“. Ob sein Umdenken darauf zurückzuführen ist, dass die neue Brücke nach endlosem Streit zweieinhalb Kilometer nördlich des Forster Stadtzentrums gebaut wurde, oder ob Reinfeld inzwischen gute Erfahrungen mit den Polen sammelte, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Tatsache ist, dass sich das Verhältnis des Bürgermeisters zu seinen Nachbarn völlig geändert hat. Reinfeld stimmte beispielsweise ausdrücklich einem von der Stadt finanzierten gemeinsamen Tourismuskonzept mit Polen zu.

Natürlich ist die Situation an der Grenze auch anders als vor sieben Jahren: Von der Brücke versprechen sich die Forster Einzelhändler mehr polnische Kunden. In vielen Städten entlang der Grenze stellen diese inzwischen bis zu 70 Prozent der Käufer.

Auf polnischer Seite hat man die Querelen um die Brücke schon vergessen. Die Freude über den neuen Grenzübergang ist groß: So verkürzt er die Strecke von der nächsten Großstadt Zielona Gora nach Cottbus um 20 Kilometer. Touristen, die nach Forst kommen, können nun ohne großen Umweg die polnischen Reiter- und Bauernhöfe besuchen. Und für die kooperierenden mittelständischen Firmen auf beiden Seiten der Neiße entfallen die langen Grenzstaus.

Der Kampf um die Forster Grenzbrücke dauerte länger als die Verhandlungen Polens über den Eintritt in die EU, sagen die Einwohner von Zasieki und Brody ein wenig spöttisch. Aber am Ende habe er sich gelohnt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false