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Brandenburg: Der fallende Held von Frankfurt

Die Chipfabrik war seine große Vision. Dafür wurde Abbas Ourmazd einst gefeiert. Jetzt verlangt das Bundeswirtschaftsministerium die Ablösung des Communicant-Chefs

Frankfurt (Oder). Für ihn geht es jetzt um alles: Abbas Ourmazd, gebürtiger Perser mit US-Pass, soll nach dem Willen des Bundeswirtschaftsministeriums den Vorstandssessel der Frankfurter Communicant AG räumen. Sonst will der Bund die für den Bau der Chipfabrik benötigte Staatsbürgschaft von rund 520 Millionen Euro nicht genehmigen. Ourmazd wird nicht zugetraut, das ins Trudeln geratene High-Tech-Projekt zum Erfolg zu führen. Auch für manchen Brandenburger Politiker ist Ourmazd schon lange nicht mehr der „Held von Frankfurt“. Doch es könnte schwierig sein, ihn loszuwerden.

Die ausländischen Investoren – neben dem Emirat Dubai der US-Chiphersteller Intel – halten sich gegenwärtig bedeckt. Doch behauptet Ourmazd, dass auf der letzten Aufsichtsratssitzung sein Ausscheiden „nicht diskutiert“ worden sei. Er selbst sieht keinen Grund für einen Rücktritt: „Darüber entscheidet zum Glück nicht die Politik.“ Hingegen halten Communicant-Insider den Rückzug des 48-Jährigen für „überfällig“: Sie machen den Chefmanager dafür verantwortlich, dass das Unternehmen nach einer jahrelangen Zitterpartie „jetzt vor der Insolvenz steht“. Erst kürzlich warfen sie Ourmazd in einem internen Papier gravierende Mängel in der Unternehmensführung vor. Communicant wiegelte zwar ab, doch ist das Bundeswirtschaftsministerium offensichtlich zum gleichen Schluss gekommen.

Nur: Ourmazds Stellung bei Communicant ist eine besondere. Der zu Wutausbrüchen neigende Professor kann „uneingeschränkt schalten und walten“, sagen frühere leitende Mitarbeiter. Nach Recherchen des Lizenz-Experten Wolfgang Winzer darf Ourmazd die Gesellschaft allein vertreten, sogar Verträge mit sich selbst abschließen. Bei Communicant gebe es nicht das übliche Vier-Augen-Prinzip, so Winzer. Insider behaupten, dass auch von einer Kontrolle durch den vierköpfigen Aufsichtsrat keine Rede sein könne: Dessen Vorsitzender Handel Jones sei ein Vertrauter von Ourmazd. Das Land Brandenburg und das staatliche Frankfurter Institut für Halbleiterphysik (IHP) sind im Aufsichtsrat nicht vertreten – obwohl sie zu den Gesellschaftern von Communicant gehören. Erst kürzlich soll der Aufsichtsrat den hoch dotierten Vertrag von Ourmazd – angeblich rund 350000 Euro jährlich plus eine Erfolgsprämie in sechsstelliger Höhe – verlängert haben.

Die Chipfabrik ohne Ourmazd? Schwer vorstellbar. Sie ist so etwas wie sein Kind. 1999 gründete der damalige Direktor des IHP mit wenigen Interessierten die Communicant-Vorläuferfirma GSMC Planning, die das Konzept für die Chipfabrik entwickelte. Ourmazd hatte erkannt, dass mit den in Frankfurt entwickelten modernen Computerchips ein großes Geschäft zu machen wäre, wenn man sie auch selbst produziert. Es fiel ihm nicht schwer, Brandenburger Politiker davon zu überzeugen sowie Dubai und Intel zu gewinnen – die jeweils eigene Interessen mit dem Projekt verfolgen. Aber die Fäden zog immer Ourmazd: schon als Chef des IHP und gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender von Communicant, seit über einem Jahr als Vorstandschef und natürlich als Mit-Gesellschafter der GSMC Planning, die wiederum Anteile an Communicant hält.

Diese private Beteiligung an GSMC hielt Ourmazd lange geheim. Diese Verquickungen, die schwer durchschaubaren Vertragsgeflechte waren den Wissenschaftsministerien in Berlin und Potsdam, die das Frankfurter IHP finanzieren, bald suspekt. Auch Brandenburgs damaliger Justizminister Kurt Schelter (CDU) hat im Kabinett davor gewarnt. Im Bundeswirtschaftsministerium spricht man ebenfalls von einer „unglaublichen Verfilzung“. Ourmazd weist allerdings vehement jeden Verdacht zurück, Verträge zu Lasten des staatlichen IHP und zugunsten der privaten Communicant abgeschlossen zu haben. Gegen den Lizenz-Experten Winzer, der jetzt wie berichtet Strafanzeige wegen Verdachts der Untreue gegen Ourmazd erstattet hat, will er juristisch vorgehen.

Mit seinen Kritikern, an denen es nie fehlte, ging Ourmazd („Wir haben eine Mission zu erfüllen“) wenig zimperlich um: Schon am IHP habe er missliebige Fachleute vergrault, heißt es dort. Auch bei Communicant feuerte er Spezialisten, die der erste Vorstandschef Klaus Wiemer angeworben hatte. Vor einem guten Jahr musste dann der nächste Vorstandschef Dirk Obermann gehen. Insider behaupten, dass der Vorstandsposten immer Ourmazds Ziel gewesen sei. Er sagt: Das sei ein Wunsch von Dubai und Intel gewesen. Doch schon damals sah der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Brandenburger Landtag, Heiko Müller (SPD), bei Ourmazd einen „erheblichen Grad an Befangenheit und einen Interessenkonflikt“, der auch aus seiner finanziellen Beteiligung rühre.

Das Stammkapital der GSMC Planning soll laut Handelsregister zwar nur 25 000 Euro betragen, doch ihr Anteil an Communicant beläuft sich nach Kabinettsunterlagen auf stolze 15 Prozent. Ourmazd habe um jeden Prozentpunkt mit Dubai und Intel gefeilscht, wissen Eingeweihte. Gelänge das 1,2-Milliarden-Projekt, könnte der 15-Prozent-Anteil nach Berechnungen von Müller irgendwann 130 Millionen Euro wert sein. Das heißt: Ourmazd, dessen Anteil an GSMC 14,8 Prozent beträgt, wäre mit einem Schlag Multimillionär. Nicht zuletzt daraus könnte sich erklären, warum er so verbissen kämpft. Der nächste Termin für ihn und das Projekt Chipfabrik ist der kommende Dienstag: Dann berät wieder der Bürgschaftsausschuss. Bisher bleibt der Bund hart: Ourmazd muss gehen – sonst gibt es die notwendige Bürgschaft nicht.

Michael Mara

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