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Brandenburg: Der Schatz bleibt in der Kiste

Von Claus-Dieter Steyer Frankfurt (Oder). Strahlender Sonnenschein soll die Bleiglasfenster der Marienkirche stets zu einem eigentümlichens Leben erweckt haben.

Von Claus-Dieter Steyer

Frankfurt (Oder). Strahlender Sonnenschein soll die Bleiglasfenster der Marienkirche stets zu einem eigentümlichens Leben erweckt haben. „Es war so, als ob sich die Bilder aus der Bibel bewegen würden“, erzählte Marianne Brandt gestern auf dem Platz vor der größten Kirche des Stadt. „Als Kinder standen wir begeistert vor den in blau, rot, grün und goldgelb strahlenden Figuren. Auch zur Weihnachtszeit schafften sie eine unvergessliche Stimmung.“ Gemeinsam mit vielen Einwohnern verfolgte die 69-Jährige am Morgen die Rückkehr der Kunstwerke. Seit dem Kriegsende lagerten sie in einem Depot der Eremitage in Sankt Petersburg. „So ganz kann ich es immer noch nicht glauben, dass unsere Kirche ihren Glanz zurückerhält“, sagte Marianne Brandt. „Es klingt noch immer wie ein Wunder."

Zu sehen waren die vor 630 Jahren entstandenen 111 Glasmalereien allerdings noch nicht. Sie stecken in den nächsten Wochen noch in Kisten, die keine Luft oder Feuchtigkeit durchlassen. Erst wenn die Restauratorenwerkstatt in der Kirche eingerichtet ist, werden die Schatztruhen nach und nach geöffnet. Ende September kommen drei Fenster in eine erste Ausstellung. Zur 750-Jahr-Feier der Stadt 2003 soll der größte Teil der jeweils 11,6 Meter hohen Bilder wieder an ihrer alten Stelle leuchten.

Die Kosten dafür sind enorm. Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka schätzt die Ausgaben für die Restaurierung und den Einbau auf 1,6 Millionen Euro. Seit 1992 haben Bund und Land bereits rund 2 Millionen Euro in den Wiederaufbau der in den letzten Kriegstagen zerstörten Marienkirche investiert.

Die zum Eintreffen der Kisten mit dem berühmten Inhalt nach Frankfurt geeilte Politprominenz hielt sich nicht lange an den offiziellen Ablauf. Aus voller Kehle sangen Kulturstaatssekretär Julian Nida-Rümelin, Ministerpräsident Platzeck, sein Vorgänger Stolpe und mehrere Minister sowie der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, das Lied „So ein Tag, so wunderschön wie heute“. Es dauerte nicht lange, da stimmten auch die Frankfurter ein.

Nida-Rümelin nannte die Rückgabe einen „Meilenstein im neuen Verhältnis zu Russland". Schätzungsweise lagern drei Kilometer Archivbände, wertvolle Bibliotheken und 200 000 Gemälde, Plastiken und andere Kunstgegenstände aus ehemaligen deutschen Eigentum in Russland. 99 Prozent dieser „Beutekunst“ befindet sich im staatlichen Besitz. Andererseits gibt es in Deutschland kaum noch von den Nazis nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 geraubte Werke. Die Frankfurter Kirchenfenster gelangten im Juli 1946 ins damalige Leningrad. Bis 1991 galten sie offiziell als verschollen.

Ministerpräsident Platzeck appellierte an den Bürgerschaftssinn. Dieser habe vor 630 Jahren erst die Fenster ermöglicht. Nun sei es an den Frankfurtern, wieder mit Spenden für die Bilder einzutreten. Die Brandenburger Sparkassen verkündeten gleich einen zusätzlichen Anreiz.: Auf jeden gespendeten Euro legen sie weitere zwei Euro drauf.

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