zum Hauptinhalt

Brandenburg: Die Aufsteiger

Claus-Dieter Steyer

Chosebuz? So mancher Student, der in die Stadt kommt, wird beim Lesen des Ortseingangsschildes oder des Bahnhofnamens vielleicht ins Grübeln geraten. So weit im Osten hatte er Cottbus nicht vermutet, dass hier die Straßen und Plätze zweisprachige Namen tragen. Das Rätsel löst sich spätestens nach den ersten Vorlesungen, wenn in den Pausen die Region vorgestellt wird. Die Achtung vor der sorbischen Sprache drückt sich auch auf Schildern auf. Obwohl die Studenten in ihren vier oder fünf Cottbuser Jahren mit dem Sorbischen kaum in Berührung kommen werden, zeigt dies die Vielfalt des Landes und auch die Fremdheit des Ostens. Die spielt für Studenten aber keine Rolle mehr. Von Schwellen oder Berührungsangst kann nämlich keine Rede sein.

Das sah vor einigen Jahren anders aus. Wenn die Zentrale Vermittlungsstelle den Studierenden im Rheinland, in Bayern oder Niedersachsen oder im einstigen West-Berlin die Universitäten in Cottbus und Frankfurt (Oder) vorschlug, hielt sich die Begeisterung oft in Grenzen. „Grau“, „unerfahren“, „dritte oder vierte Garnitur von Lehrkräften und Professoren“, „kein Freizeitangebot“ und „am Wochenende tote Hose“, lauteten die Vorurteile.

Doch die drei nach der Wende gegründeten Brandenburger Unis schrieben bei allen Abstrichen durchaus eine der wenigen Erfolgsgeschichten des Landes. Sie zeigt, was in der Industrie, im Schulwesen oder zum Teil auch in der Kultur nicht gelang: den Neuanfang 1990 als Chance für einen Aufbruch im Denken und Handeln zu begreifen. Die vergleichsweise wenigen finanziellen Mittel, die anfangs unzureichenden Lehr- und Wohnverhältnisse und auch die eigenen Zweifel legten viel Energie frei. Heute profitieren Cottbus, Frankfurt und Potsdam davon: Der Standard in Lehre, Forschung und Infrastruktur gehört heute zu den höchsten in Deutschland.

Glücklicherweise erkannte vor allem Cottbus die neue Studentenschar als belebend. Nirgendwo sonst fällt der große Anteil der jungen Generation so auf wie hier. Um die Wohnungsgesellschaften, Sportanlagen, Kinos, Klubs, Kneipen oder die Sportvereine würde es ohne die zeitweiligen Gäste schlecht bestellt sein. Die hohe Internationalität schafft eine andere Stimmung. Leider spürt der Besucher davon in Frankfurt (Oder) wenig, obwohl sich die Viadrina hier sogar Europa-Universität nennt. Doch gerade die ausländischen Studenten wohnen aus finanziellen und anderen Gründen im polnischen Slubice.

Die Erfolge der Brandenburger Unis und Fachhochschulen verdienen Respekt – und mehr Aufmerksamkeit durch die Politik. Sie könnten am ehesten und leichtesten das wegen vieler Pleiten angeschlagene Image Brandenburgs aufhellen.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false