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Brandenburg: Die Aufsteiger

In Berlin finden Kletterer und solche, die es werden wollen, viele Berge – aus Beton, Holz und Kunststoff

Der Fuß sucht Halt auf dem asymmetrischen Plastikgriff. Die Hüfte dreht sich seitlich zur Wand, die Muskeln im Hintern ziehen sich zusammen. Die linke Hand greift mit Schwung nach oben – zum nächsten Plastikgriff. Dann wird schnell der Karabiner vom Gürtel in die Metallöse gehakt. Heikes Start an der Kletterwand ist geglückt.

Unten steht ihre Kletterpartnerin Kathrin und hat nicht viel zu tun. Denn die 35-jährige Heike klettert im Vorstieg. Das heißt: Sie sichert sich selbst. „Da ist der Kick größer“, sagt Heike, die seit drei Jahren regelmäßig in die Höhe geht – besonders gern in der Kletterhalle T-Hall in Neukölln oder am Outdoor-Kletterturm „Der Kegel“ in Friedrichshain.

Klettern wird immer beliebter und zählt längst zu den Trendsportarten. Zwei große Kletterhallen gibt es in Berlin, neben der T-Hall auch den Magic Mountain in Wedding. Und etwa ein Dutzend Outdoor-Kletteranlagen, wie den Kegel: Durch ein schmales Tor in der langen Mauer, die die Revaler Straße säumt, gelangt man zu dem ehemaligen Bunker mit dem kegelförmigen Dach. 700 Quadratmeter Kletterfläche bietet der fast 19 Meter hohe Kegel aus Beton mit rund 75 Routen aller Schwierigkeitsgrade. 20 Monate hat es gedauert, bis alle Klettergriffe an der richtigen Stelle saßen. Viele von ihnen hat Christian Wahle, einer der Betreiber, angebracht. „Es hat mich gereizt, einen Bunker in einen Kletterturm zu verwandeln. Das ist, als mache man aus einem Stahlhelm einen Kochtopf.“

Seit vergangenem Sommer kann dort jeder losklettern, der sich auskennt mit Knoten und Felsen. Kletterschuhe, Gurt, Karabiner und Seil stehen zur Ausleihe bereit. Außerdem gibt es Grundkurse. „Eigentlich kann jeder Klettern lernen, man muss sich nur daran gewöhnen, sich nicht wie sonst geradeaus, sondern aufwärts wie eine Spinne zu bewegen“, sagt Wahle. Trotzdem brauche man ein gewisses Talent. „Manche schaffen es nie, die ganz schwierigen Routen zu klettern. Andere sind nach kurzer Zeit sehr gut.“

Um nach oben zu kommen, muss man sich jeden Schritt genau überlegen – und die richtige Technik anwenden. Das besondere am Klettern ist für Christian Wahle, Heike und viele andere Bergsteiger, in der Natur zu sein. Nun ist eine Bunkerwand aus Beton nicht gerade sehr natürlich. Doch auf dem Gelände des Kletterturms wachsen überall Büsche und Blumen. Der mit Kies bedeckte Hof ist eine kleine Oase in der Großstadt. Und wenn man auf der Plattform ganz oben angekommen ist, fühlt man sich dem Himmel ganz nah. Wen das zu poetischen Gedanken inspiriert, der kann sie ins Gipfelbuch eintragen. Die meisten notieren dort etwas Positives. Denn: „Beim Klettern schüttet man Glückshormone aus“, sagt Wahle.

Das Glück an der Wand findet man aber auch in der Halle: Die Neuköllner T-Hall bietet 180 Kletterrouten. Es gibt Wände aus Holz – und aus Kunststoff. Die sind mit Glasfasern verstärkt und mit Quarzsand beschichtet. Kerstin Stanienda greift in das mit Magnesia gefüllte Säckchen an ihrem Klettergurt und weißt sich die Hände. Dann blickt die 34-Jährige zum künstlichen Felsen in der Mitte der T-Hall hinauf. „Man kann so schön abschalten beim Klettern, weil man sich total konzentrieren muss“, sagt sie, bevor sie losklettert. Ihre Kletterpartnerin Anne sichert sie mit einem Seil. Das läuft durch einen Metallring ganz oben an der Wand und dann durch Annes Klettergurt – „Top-Rope-Klettern“ nennt sich das. „Wir klettern nicht im Vorstieg“, sagt Kerstin Stanienda, als sie ein paar Minuten später wieder sicher auf dem Hallenboden steht. Dabei müsse man sich dann doch zu sehr konzentrieren. Kurz darauf ist Anne an der Reihe. Doch sie scheitert am Überhang unter der Hallendecke. „Ich war mit den Gedanken woanders“, sagt sie, nachdem sie sanft am Seil nach unten geschwebt ist, gesichert von Kerstin. Die ist zum Glück bei der Sache.

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