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Brandenburg: Die Oderdeiche werden höher und breiter

NEURANFT .Durch das Oderbruch nordöstlich Berlins rollen wieder schwere Lastzüge mit Sand und Kies in Richtung Fluß.

NEURANFT .Durch das Oderbruch nordöstlich Berlins rollen wieder schwere Lastzüge mit Sand und Kies in Richtung Fluß.Denn fast ein Jahr nach dem sogenannten Jahrhunderthochwasser sind noch längst nicht alle kritischen Deichabschnitte repariert oder auf das von Experten ermittelte höhere und breitere Kronenmaß gebracht worden.Schwerpunkt ist jetzt der Neuranfter Bogen, unweit des Grenzübergangs Hohenwutzen.In den nächsten Wochen bringen täglich 60 Kipper über 1000 Tonnen an die Baustelle direkt an der Oder.

Hier wird der gesamte Deichfuß erneuert.Während des Hochwassers war die vor 250 Jahren bei der Trockenlegung des Oderbruchs angelegte Konstruktion durchspült worden.Der Trocknungsprozeß im warmen Frühjahr ließ Risse und Böschungsschäden entstehen.Jetzt erhält der Fuß ein neues Fundament, in das gleich Dränagerohre zur eventuell notwendigen Entwässerung des Deiches eingesetzt werden.

Die Deichkrone selbst wird erhöht.Das Hydrologische Institut in Frankfurt (Oder) wertete die Hochwasserscheitel seit 1901 aus und riet zu einer Aufstockung der Höhe um bis zu einem Meter.Betroffen sind auch die erst im letzten Herbst neugebauten Abschnitte in der vier Wochen lang überschwemmten Ziltendorfer Niederung, südlich von Frankfurt.Auf über 120 Millionen Mark werden die Kosten allein im Oderbruch geschätzt.

"Doch wir können unsere Deiche nicht allein nur immer höher bauen, um alle Risiken auszuschließen", sagte der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude, auf einem Forum in Frankfurt.Das würde astronomische Kosten verursachen."Ingenieurtechnische Maßnahmen allein reichen nicht".Genauso wichtig seien ökologische Veränderung in der Oderlandschaft.So fehlten potentielle Überschwemmungsflächen, wo Menschen und Tiere nicht in Gefahr gerieten.Im Mittellauf der Oder hätte sich die Größe dieser gefahrlosen Gebiete auf zwölf Prozent der ursprünglichen Fläche reduziert.

"Wir müssen deshalb diesen Verlust irgendwie kompensieren", forderte Freude.In Brandenburg seien zwei Gebiete als Überflutungsraum vorgesehen: Die Neuzeller Niederung bei Eisenhüttenstadt mit 5000 Hektar und der Lunow-Stolper Polder bei Angermünde mit 1600 Hektar.Ursprünglich hatte es Überlegungen gegeben, auch die durch zwei Deichbrüche überschwemmte Ziltendorfer Niederung freizuziehen.Doch die Landesregierung entschied sich zugunsten der rund 500 Bewohner der Niederung.

Freude beklagte weiterhin das rapide Waldsterben im Altvatergebirge am Oberlauf der Oder.Wälder und Wiesen würden erfahrungsgemäß viel größere Wassermengen aufnehmen können als Acker- oder Brachflächen.Die Abflußgeschwindigkeit sei entscheidend für den Pegel des Flusses.Dem widersprach Alfred Dubicki vom Meteorologischen Institut Wroclaw."Ich habe Zweifel, ob der Wald wirklich die Wassermengen aufgehalten hätte.Wenn die durchschnittliche Regenmenge eines Jahres in Berlin innerhalb weniger Tage an einem Ort niedergeht, hilft auch kein Wald", sagte Dubicki.

Die starken Regenfälle im Juli hatten das Oder-Hochwasser ausgelöst."Wir müssen etwas an der Oder und ihrer Umgebung unternehmen", verlangte der Professor."Wir hatten bis zur Katastrophe in unserem Land geglaubt, es gebe nur schöne Tage am Fluß."

In Polen kann zurecht von einer Hochwasserkatastrophe gesprochen.Während sich die Schäden in Deutschland auf 650 Millionen Mark beliefen, stieg die Schadenssumme im Nachbarland auf 2,3 Milliarden Dollar.54 Menschen kamen ums Leben, 47 300 Gebäude wurden zerstört.Auf 362 Kilometern riß der Deich.An eine Aufstockung oder Grundreparatur wie im Oderbruch ist in Polen noch nicht zu denken.

CLAUS DIETER-STEYER

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