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Brandenburg: Die Retter kamen auf allen Vieren

Trotz schnellen Feuerwehreinsatzes kam für acht Heimbewohner jede Hilfe zu spätVON CLAUS-D.STEYER FRANKFURT (ODER).

Trotz schnellen Feuerwehreinsatzes kam für acht Heimbewohner jede Hilfe zu spätVON CLAUS-D.STEYER FRANKFURT (ODER).Bei einem Brand in einem Behinderten-Heim in Frankfurt (Oder) sind in der Nacht zum Freitag acht Menschen ums Leben gekommen.Weitere neun Personen erlitten zum Teil schwere Rauchvergiftungen.Das Feuer war kurz vor Mitternacht in einem Seitenflügel des Wichernheimes ausgebrochen.Über 150 Einsatzkräfte von der Feuerwehr, der Polizei und dem Roten Kreuz evakuierten bis zum Morgen 84 Heimbewohner, die überwiegend geistig und körperlich behindert oder bettlägerig sind."Wir danken Gott, daß wir nicht noch mehr Opfer beklagen müssen", sagte Pfarrer Gunter Behnke, Direktor des aus dem Anfang des Jahrhunderts stammenden Gebäudes unweit des Zentrums von Frankfurt.Ministerpräsident Manfred Stolpe hat den Hinterbliebenen und der Heimverwaltung bei einem Besuch am Freitag nachmittag umfangreiche Hilfe zur Minderung der Folgen zugesichert. Noch zwölf Stunden nach dem Ausbruch des Feuers liegt beißender Qualmgeruch über der Frankfurter Luisenstraße.Feuerwehrschläuche versperren den Weg.Experten des Landeskriminalamtes rücken mit ihren Spezialwerkzeugen an, um die Brandursache zu ermitteln.Bis zum Abend werden sie nicht fündig.Die Spekulationen gehen in alle Richtungen."Vorsorglich hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der fahrlässigen oder vorsätzlichen Brandstiftung aufgenommen", sagt Staatsanwältin Petra Marx.Bisher sei aber noch nicht einmal der Brandherd genau fixiert worden.Auch die Person, die die Feuerwehr telefonisch alarmiert hatte, konnte noch nicht befragt werden.Der Mann des Nachtdienstes im Heim stehe unter Schock und sei nicht ansprechbar. Die evakuierten Heimbewohner haben vorerst im Speisesaal des Frankfurter Klinikums eine Bleibe gefunden.Die meisten sitzen in Decken gehüllt an Tischen, schauen scheinbar reglos in den laufenden Fernseher oder halten die Augen geschlossen.Sie können das tragische Geschehen der letzten Nacht nicht verstehen und wollen in ihre Zimmer.Noch wissen sie nicht, daß einige ihrer Mitbewohner nicht zurückkommen werden, denn diese sind qualvoll erstickt. Dem Einsatzleiter der Feuerwehr steht die Anspannung der letzten Stunden auf dem Gesicht."Wir haben alles versucht und doch nicht alle Menschen retten können", berichtet Ralf-Dieter Selchow.Keine vier Minuten nach der Alarmierung der Feuerwehr um 23 Uhr 19 war der erste Löschtrupp vor Ort."Der gesamte Innenhof und ein Seitenflügel waren völlig verqualmt.Mit Atemschutzgeräten kämpften sich die Trupps auf allen Vieren ins Gebäude und zu den Zimmern der Bewohner." Keine 20 Zentimeter habe die Sichtweite betragen. Das Feuer breitete sich unterdessen rasend schnell vom Erdgeschoß ins Dach aus.Viele Türen waren fest verschlossen."Unsere Bewohner haben gedacht, sie könnten die mit dem Qualm heraufziehende Gefahr einfach vor der Tür lassen und haben sich eingeschlossen", erklärte Pfarrer Behnke diese Situation."Wir haben längst keine großen Schlafsäle mehr wie einst.Die meisten Leute sind in Ein- oder Zwei-Bett-Zimmern untergebracht." Abschließbare Türen gehörten ausdrücklich zum pädagogischen Konzept des Wichernheimes. Die behinderten Menschen mußten jeweils mühevoll von Helfern aus dem verwinkelten Gebäude geführt werden.Auf der Straße nahm sie Pfarrer Behnke mit tröstenden Worten in Empfang."Glücklicherweise gab es keine Panik.Alles verlief trotz der großen Dramatik einigermaßen ruhig." Allerdings schloß der Direktor die Gefahr nicht ganz aus, daß die ohnehin psychisch schwerkranken Menschen durch den Schock und die Ängste zusätzliche Leiden ertragen müßten.Bei den Toten handele sich um verhältnismäßig junge Leute mit geistigen Behinderungen.Sie hätten sich in der Brandnacht einfach nicht orientieren können.Erst zwei Stunden nach Beginn des Einsatzes konnte der Brandherd lokalisiert werden.Nach einer weiteren Stunde befand sich das Feuer unter Kontrolle. Nach Angaben von Sozialministerin Regine Hildebrandt, die als erstes Regierungsmitglied zum Ort der Tragödie geeilt war, gehört das Frankfurter Wichernheim zu den ältesten der 150 Einrichtungen für 5700 geistig und 570 körperlich behinderten Menschen in Brandenburg."Wir wollten im nächsten Jahr mit der Renovierung und dem Umbau beginnen.Jetzt werden wir die Arbeit am Wichernheim vorziehen", versicherte die Ministerin.Erst 700 Plätze in Behindertenheimen seien nach der Wende auf den neuesten Stand gebracht worden.Im Frankfurter Wichernheim selbst sei der Brandschutz viermal im Jahr durch den TÜV geprüft worden. Die Brandkatastrophe hat in der Oderstadt neben viel Betroffenheit vor allem eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst.Dutzende Einwohner und Hoteliers boten den obdachlosen Menschen spontan Quartiere an.Doch in der Stadt soll es genügend Unterkünfte geben, unter anderem in einer leeren Kindertagesstätte.Gebraucht würden vor allem Geldspenden, da viele Menschen durch den Brand ihr gesamtes Hab und Gut verloren hätten, sagte Heimdirektor Behnke. Die Stadt und das Wichernheim haben Spendenkonten eingerichtet: Bank für Kirche und Diakonie Duisburg, Konto-Nummer 304050, Bankleitzahl 35060190, sowie Sparkasse Frankfurt (Oder), Konto-Nummer 31100999, Bankleitzahl 17052472.

CLAUS-D.STEYER

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