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Brandenburg: Die Schmiergeld-Falle

Immer mehr Unternehmen scheinen bei der Auftragsakquise mit Bestechungsgeldern nachzuhelfen. Wer auffliegt, dem drohen weitreichende Konsequenzen

VW, Daimler-Chrysler, Infineon und BMW – immer mehr Unternehmen müssen zu Bestechungsvorwürfen Stellung nehmen. Dabei können Schmiergeldzahlungen nicht allein für große DAX-Unternehmen im Nachhinein sehr kostspielig werden. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen kann sich Korruption mitunter als eine ruinöse Kostenfalle erweisen. Dies gilt in Zeiten globalisierter Märkte zunehmend auch bei Schmiergeldzahlungen im Ausland.

Bei der Auftragsakquise im Ausland befinden sich deutsche Unternehmen nicht selten in einem echten Dilemma: Den Auftrag erhalten sie nur, wenn Bestechungsgelder fließen, doch wer sich darauf einlässt, macht sich strafbar. Verbreitet ist etwa die Zahlung von „kickbacks“ an den zuständigen Entscheidungsträger des jeweiligen Geschäftspartners. Dieser akzeptiert stillschweigend einen überhöhten Listenpreis und erhält dafür im Gegenzug einen Teil davon in die eigene Tasche zurückerstattet.

Doch solche Praktiken werden in immer weniger Staaten geduldet. Aufgrund zunehmenden Drucks internationaler Organisationen wie der OECD und der EU sowie der nichtstaatlichen Transparency International haben zahlreiche Staaten ihre Strafvorschriften zur Korruptionsbekämpfung spürbar verschärft. Auf dem für deutsche Unternehmen derzeit interessanten asiatischen Markt beispielsweise haben Japan, Singapur und die Sonderverwaltungsregion Hong-Kong zum Teil drastische Strafdrohungen für Korruptionsdelikte erlassen.

Neben Geld- und Gefängnisstrafen drohen den verurteilten Personen und Unternehmen zum Beispiel die Einziehung von Vermögen und der Ausschluss von staatlichen Aufträgen für die Dauer von bis zu fünf Jahren. Aber auch von Ländern wie China, Malaysia oder Thailand wird in den letzten Jahren über ein zunehmendes staatliches Engagement zur Korruptionsbekämpfung berichtet. In den USA ist bereits seit 1977 ein umfangreiches Strafgesetz zur Eindämmung von Korruptionsdelikten in Kraft. Auch in zahlreichen osteuropäischen Staaten macht in Folge des EU-Beitritts die Korruptionsbekämpfung deutliche Fortschritte.

In Deutschland tickten bis vor einigen Jahren die Uhren hingegen noch ein wenig anders. Nach hiesigem Recht konnten Schmiergeldzahlungen im Ausland bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 1996 sogar weitgehend uneingeschränkt als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Doch das hat sich zwischenzeitlich geändert. Seit Ende 2002 setzt sich ein deutsches Unternehmen, das sich durch Schmiergeldzahlungen auf Auslandsmärkten Aufträge zu verschaffen versucht, der Strafverfolgung durch die hiesige Staatsanwaltschaft aus. Der Strafrahmen reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

Dabei werden Bestechungsfälle im In- und Ausland nach deutschem Strafrecht gleich behandelt. Aus der Sicht der Staatsanwaltschaft macht es keinen Unterschied, ob im Inland korrumpiert wurde oder ob Schmiergelder außerhalb Deutschlands zum Einsatz kamen. Auf die Strafhöhe hat dies keinen Einfluss.

Anders als früher sind Schmiergeldzahlungen zudem nicht mehr nur dann unter Strafe gestellt, wenn Beamte oder sonstige mit Hoheitsbefugnissen ausgestattete Entscheidungsträger bestochen wurden. Vielmehr richtet sich der Bestechungsvorwurf jetzt auch gegen Zuwendungen, die gegenüber Angestellten oder Beauftragten eines privaten Betriebes zum Zwecke eines Wettbewerbsvorteils gewährt werden. Die Tatsache, dass in vielen Staaten die Erlangung von Aufträgen praktisch nicht möglich ist, wenn nicht an den entscheidenden Stellen mit Schmiergeldzahlungen nachgeholfen wird, erkennen Gerichte als Rechtfertigungsgrund nicht an.

Dabei richtet sich die Strafverfolgung nicht allein gegen den Mitarbeiter, der die Schmiergeldzahlung im Interesse seines Arbeitgebers zum Zwecke der Erzielung eines Wettbewerbsvorteils versprochen und gezahlt hat – und von dem sich das Unternehmen im Falle der Aufdeckung seiner Korruptionsaktivitäten notfalls auch „trennen“ könnte. Vielmehr sieht das deutsche Strafrecht für Bestechungsfälle „Verfallsregelungen“ vor, nach denen das von den Schmiergeldzahlungen profitierende deutsche Unternehmen sämtliche hierdurch erlangten wirtschaftlichen Vorteile an die Staatskasse abführen muss. Eine Anrechnung der von diesem Unternehmen im Rahmen der Geschäftsabwicklung getätigten Aufwendungen findet dabei regelmäßig nicht statt. Vielmehr gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das „Bruttoprinzip“. Es sind alle Umsatzerlöse abzuführen, die das Unternehmen aufgrund seiner Bestechungsaktivitäten erzielt hat.

Ein Beispiel: Bei einem Auftragsvolumen von einer Million Euro soll ein Angestellter im Ausland mit 50 000 Euro „geschmiert“ worden sein. Das deutsche Unternehmen hat bei diesem Auftrag einen Gewinn von 200 000 Euro realisiert. Gleichwohl würde bei Aufdeckung der Bestechung ein Betrag von einer Million Euro für verfallen erklärt und müsste abgeführt werden – eine Konsequenz, die das deutsche Unternehmen schnell zum Insolvenzrichter führen kann. Ob die Geschäftsleitung über die Korruption durch ihre Mitarbeiter informiert oder ob sie gutgläubig war, ist dabei für das Eingreifen der Verfallsregelung gänzlich unerheblich.

Besteht der Verdacht einer Bestechung, gibt es überdies eine gegenseitige Mitteilungspflicht zwischen Staatsanwaltschaften und Finanzverwaltung. Und damit kann eine Betriebsprüfung durch das Finanzamt leicht zu einem Instrument der Strafverfolgung werden. Der Betriebsprüfer würde sich selbst der Strafvereitelung im Amt schuldig machen, sollte er einen begründeten Bestechungsverdacht nicht an die Staatsanwaltschaft weiterleiten.

Wegen der bei Bestechungsvorwürfen drohenden empfindlichen Konsequenzen für das gesamte Unternehmen sind mittlerweile viele Geschäftsleitungen dazu übergegangen, an ihre Mitarbeiter nach amerikanischem Vorbild verbindliche Verhaltensanweisungen auszugeben. Damit wollen sie ausschließen, dass sie bei der Akquisition von Aufträgen im In- und Ausland in die Falle strafbarer Bestechung tappen. In einigen Unternehmen wurde hierzu eigens ein „Antikorruptionsbeauftragter“ eingestellt. In vielen Fällen mag es sich auch als sinnvoll erweisen, die Akquisitionspraxis insgesamt und die verwandten Vertragsmuster einer fachkundigen Prüfung zu unterziehen.

Wie man es auch anstellt – eine sorgfältige Schulung der verantwortlichen Mitarbeiter und eine genaue Kenntnis der Gesetzeslage zur Korruptionsbekämpfung vor Ort erweisen sich zum Schutz des eigenen Unternehmens zunehmend als unverzichtbar.

Die Verfasser sind Partner der Sozietät RODEGRA Rechtsanwälte Berlin/Würzburg/New York City mit Tätigkeitsschwerpunkten Internationales Vertragsrecht und Internationales Gesellschaftsrecht. Im Internet: www.anwaltskanzlei-rodegra.de

Jürgen Rodegra, Christian Martin Buth

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