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Brandenburg: Diskussion um Maßregelvollzug: Der Druck auf Alwin Ziel nimmt wieder zu

Der nach seiner Flucht aus dem Maßregelvollzug in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) in Halle gefasste Straftäter Manfred Eduard Radtke wird nach seiner Rückkehr in Brandenburg nicht in einem Gefängnis untergebracht. Es gebe keinen Grund, den 42-Jährigen aus dem Maßregelvollzug zu entlassen, sagte der Leiter des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Essen, Norbert Leygraf, am Freitag in Potsdam.

Der nach seiner Flucht aus dem Maßregelvollzug in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) in Halle gefasste Straftäter Manfred Eduard Radtke wird nach seiner Rückkehr in Brandenburg nicht in einem Gefängnis untergebracht. Es gebe keinen Grund, den 42-Jährigen aus dem Maßregelvollzug zu entlassen, sagte der Leiter des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Essen, Norbert Leygraf, am Freitag in Potsdam. Der Leiter der von Sozialminister Alwin Ziel (SPD) eingesetzten Expertengruppe zur Überprüfung des brandenburgischen Maßregelvollzugs, Herbert Schnoor, erneuerte seine Kritik an den Bedingungen des Maßegelvollzuges in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin). Der Bau sei wegen seiner vielen Winkel unübersichtlich und müsste geschlossen werden.

Sozialminister Alwin Ziel (SPD) zeigte sich empört darüber, dass die Polizei Erkenntnisse über den Patienten im Maßregelvollzug habe, die über das hinausgingen, was im Gerichtsurteil, im Bundeszentralregister und in den Akten der Klinik enthalten sei. Wenn polizeiinterne Daten vorlägen, die für die Therapie notwendig seien, müssten diese auch der Klinik zur Verfügung gestellt werden. Der Minister forderte eine uneingeschränkte Aufklärung. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) wies seinerseits Kritik an der Informationspolitik der Polizei zum Fall eines alkoholkranken Straftäters als befremdend zurück.

Von einem "Chaos im Maßregelvollzug" könne aber keine Rede sein, sagte Schnoor, der frühere NRW-Innenminister, am Freitag in Potsdam. Eindringlich warnte Schnoor vor einer weiteren Verschärfung der durch bauliche Missstände ohnehin angespannten Situation in der Neuruppiner Anstalt, die durch die Schmökel-Flucht und weitere Vorfälle in die Kritik geraten ist.

Schnoor sagte, die öffentliche Aufregung, welche schädliche Rückwirkungen auf das Klima in der Einrichtung - auf die Autorität des Personals gegenüber Patienten - habe, dürfe nicht zu einer "selbsterfüllenden Prophezeiung" führen. Kritik der CDU - die nächste Woche vorab Vorschläge zur Reform des Maßregelvollzugs vorlegen will - an der langsamen Arbeit der Kommission wies er zurück. Es bleibe beim bisherigen Fahrplan, Mitte März den Abschlussbericht vorzulegen, da dies früher nicht möglich sei.

Zwar wies Schnoor erneut auf die Bau-Missstände in der unübersichtlichen und überbelegten Klinik hin, die eine ständige Überwachung der Patienten quasi unmöglich machen, so dass diese im Grunde sofort geschlossen werden müsste. Doch sei dies nicht möglich, "weil es keine Alternative gibt." Schnoor verteidigte den massiv unter Beschuss stehenden Sozialminister Alwin Ziel, der sofort um zusätzliche Mittel für den Maßregelvollzug gekämpft habe. "Ich weiß, dass Herr Ziel sich bemüht." Einer von Landtagspolitikern geforderten Verlegung der Insassen in andere Bundesländer erteilte Schnoor eine Absage: Es gebe kein Land, das solche Patienten aus Brandenburg aufnehmen würde, da die Maßregelkliniken überall in Deutschland überfüllt seien.

Die Pressekonferenz der Schnoor-Kommission war kurzfristig wegen der erneuten Flucht eines Insassen der Neuruppiner Klinik einberufen worden: Der alkoholkranke und mehrfach vorbestrafte Manfred Radtke, der von der Polizei Donnerstagnacht in Halle festgenommen wurde, ist gestern nach Neuruppin zurückgebracht worden. Scharf kritisierte Schnoor die desolate Informationspolitik von Landesregierung und Behörden vom Vortag, die zur Verunsicherung der Bevölkerung geführt habe. So sei es "unerträglich", dass Klinik und Polizei unterschiedliche Informationen herausgegeben hätten. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der brandenburgischen SPD-Landtagsfraktion Werner Kallenbach stellte sich hinter Ziel. Die harsche Kritik an Ziel wegen der jüngsten Flucht eines Gewaltverbrechers aus dem Maßregelvollzug in Neuruppin sei eine "populistische Diskussion", sagte Kallenbach am Freitag der Nachrichtenagentur ddp in Potsdam. Die Junge Union drängte dagegen auf den Rücktritt Ziels. Der jüngste Vorfall zeigte, dass das Ministerium nichts aus dem Fall Schmökel gelernt habe, sagte JU-Sprecher Henryk Wichmann in Potsdam. Auch die von Ziel eingesetzte Expertenkommission habe "nicht wirklich Veränderungen" bewirkt.

Entgegen den von der Polizei am Vortag verbreiteten Angaben, die zwischenzeitlich auch vom Sozialministerium bestätigt worden waren, ist Radtke laut Kommission zumindest kein gemeingefährlicher Gewaltverbrecher und Sexualstraftäter. Er habe ein langes Vorstrafenregister als Kleinkrimineller, sagte Norbert Leygraf, Chef des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Essen, der die Lockerungsentscheidung für Radtke - wie für alle Neurupinner Insassen - geprüft hatte. Radtke sei in den Maßregelvollzug zur Entziehung eingewiesen worden, die ohne Lockerungen "nicht denkbar" sei. Von Radtke gehe keine Gefahr aus. Das Innenministerium wies diese Aussagen in scharfer Form zurück. Im internen polizeilichen Auskunftssystem sei Radtke mit 27 Notierungen registriert - unter anderen Gewaltdelikten und einer Vergewaltigung sowie der Prognose, dass dieser unter Alkohol unkontrolliert Straftaten begehe. Meldungen, wonach Radtke wegen einer Sexualstraftat verurteilt worden sei, entsprächen nicht der Wahrheit.

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