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Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und die Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke in Brandenburg, Kerstin Kaiser bei der Unterzeichnung des ersten rot-roten Koalitionsvertrag Brandenburgs in Brandenburg

© dapd

Ein Jahr Rot-Rot in Brandenburg: Enthüllungen, Rücktritte und Affären

In Brandenburg regieren SPD und Linke seit einem Jahr. Die Opposition kritisiert Führungsschwäche von Regierungschef Matthias Platzeck.

Seit einem Jahr regiert Rot-Rot in Brandenburg. Aber die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte SPD/Linke-Koalition kommt aus Negativ-Schlagzeilen nicht heraus. Die Jubiläums-Pressekonferenz im Landtag am Dienstag wurde prompt vom Bericht des Landesrechnungshofs zur Krampnitz-Affäre überschattet, in dem nun offiziell schwere Missstände und Versäumnisse beim Verkauf des Kasernen-Areals im Norden Potsdams unter Ex-Finanzminister Rainer Speer (SPD) gerügt werden. Nun gesteht selbst die SPD erstmals Fehler ein, nachdem Platzeck vor einigen Wochen noch „keinen Schaden“ für das Land erkennen konnte.

Fraktionschef Ralf Holzschuher sprach von einem „harten Urteil“, dass im Finanzministerium „nicht mit der gebotenen Sorgfalt und Kompetenz“ gearbeitet worden sei. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser betonte, dass alles aufgeklärt und „Konsequenzen gezogen werden“ müssten. Nun hält selbst die Koalition den von der Opposition durchgesetzten Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Immobilien-Affären für sinnvoll.

Während die rot-roten Fraktionschefs das Bündnis auf einem guten Weg sehen, „den Sparkurs mit sozialem Augenmaß“ und die Arbeitslosigkeit unter 10 Prozent hervorhoben, exemplarisch auf die Einstellung neuer Lehrer und Kita-Erzieher verwiesen, rechneten CDU, Grüne und FDP mit Rot-Rot – und mit Platzeck ab.

Vorlagen hatte man genug: Die nach der Landtagswahl im Herbst 2009 nach zehn Jahren Rot-Schwarz gebildete Koalition hatte erst mit Stasi–Enthüllungen bei den Linken, seitdem mit diversen Affären und zwei Rücktritten in der fünfköpfigen SPD-Ministerriege zu kämpfen. Erst hatte die als Superministerin präsentierte, aber mit dem Job überforderte Infrastrukturministerin Jutta Lieske aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben, zuletzt verlor Platzeck mit Rainer Speer den engsten Vertrauten.

Für Zoff sorgte dazu im Sommer eine umstrittene Haushaltssperre von Linke-Finanzminister Helmuth Markov. Probleme gibt es mit Prestigeprojekten wie dem bundesweit einmaligen Schülerbafög für Gymnasiasten aus ärmeren Familien, dem geplanten öffentlichen Beschäftigungssektor oder der Energiepolitik. Und wegen einer Abrechnungs-Affäre liegen in Brüssel seit Ende 2009 EU-Gelder für das Land auf Eis.

Der dramatische Gesamteindruck hat für die Opposition mit einer Führungsschwäche Platzecks zu tun. „Wir haben einen amtsmüden Ministerpräsidenten, der bei jedem Hochwasser aus dem Urlaub geholt werden muss“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sarkastisch – und übte Kritik am umfangreichen Reiseprogramm Platzecks. „Man hat den Eindruck, dass er eher der Osteuropa-Korrespondent der SPD ist“. Und FDP-Fraktionschef Andreas Büttner sagte, das Land brauche mehr als einen „Charming-Boy“. CDU-Fraktions- und Landeschefin Saskia Ludwig überraschte sogar mit der Forderung, dass SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier – sein Wahlkreis ist Brandenburg an der Havel – Platzeck ablösen soll: Es wäre besser, so die Begründung, wenn Brandenburg von „einem als vertrauenswürdig geltenden Mann, der noch Ansprüche hat“, regiert würde.

Das Szenario selbst ist allerdings, wie es im Umfeld Steinmeiers heißt, eine „Schnapsidee“. Er sei aber erfreut, sagte SPD-Fraktionschef Holzschuher, dass selbst die CDU-Vorsitzende davon ausgeht, „dass nur ein Sozialdemokrat das Land regieren kann.“ Einen Trost für Platzecks Rot-Rot gibt es: Die Brandenburger lassen die Affären und Turbulenzen bislang kalt. SPD und Linke liegen nach Umfragen in der Wählergunst klar vorn.

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