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Enquete-Kommission: Die kleine DDR wird durchleuchtet

Die Opposition einigt sich über den Auftrag der Enquete-Kommission, von der die Aufarbeitung der SED-Diktatur untersucht werden soll.

Potsdam - Brandenburg galt lange als kleine DDR: Eine Enquete-Kommission des Landtages soll nun untersuchen, welche „Versäumnisse“ und „Fehlentwicklungen“ es bei der „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur“ in der Mark gegeben hat. Sieben Abgeordnete und sieben Sachverständige sollen bis 2012 Vorschläge entwickeln, „wie verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden kann.“ Es geht um Schlussfolgerungen, etwa in Lehrplänen oder im Umgang mit SED-Opfern. Die Initiative zu dieser in Ostdeutschland einmaligen Aufarbeitung geht, ausgelöst durch Stasi-Enthüllungen in der rot-roten Koalition, von der Opposition aus.

Nach zähen Gesprächen hinter den Kulissen haben sich die Spitzen von CDU, FDP und Grünen jetzt auf einen Untersuchungsauftrag für die Kommission verständigt. Sie soll Ende März offiziell vom Landtag eingesetzt werden – und den Umgang mit der SED-Diktatur in Brandenburg seit 1990 umfassend untersuchen. Das betrifft zunächst maßgeblich die Ära des ersten Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD), der von 1990 bis 1994 in einer Ampelkoalition mit FDP und Bündnisgrünen, von 1994 bis 1999 als SPD-Alleinherrscher regiert hatte. Doch es schließt auch die bisherige Amtszeit von SPD-Regierungschef Matthias Platzeck (seit 2002) und die Jahre der Großen Koalition von 1999 bis 2009 ein, in denen es im Landtag ebenfalls keine Stasi-Überprüfung mehr gab. Die erste und letzte bis 2009 hatte 1991 stattgefunden. Nun soll die Kommission prüfen, inwieweit das Parlament „Vorbild“ in der kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit war. Es seien „Aktivitäten des Landtages und der kommunalen Ebene zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ zu erörtern, insbesondere zum Umgang mit Stasi-Verstrickungen, „Belastungen aus Funktionärstätigkeit oder anderen systemnahen Handlungen.“ Grundsätzlich, so der Antrag, sei es zwei Jahrzehnte nach dem Sturz der SED-Diktatur „notwendig, Rückschau zu halten“ und zu prüfen, „ob der Prozess der demokratischen Umbildung in Brandenburg – auch im Vergleich zu anderen Bundesländern – erfolgreich war“.

Der Aufklärungsauftrag ist so weit gefasst, dass es auf ein Mammutprojekt hinausläuft, mit Zündstoff. So soll nachträglich die Personalpolitik, der Umgang mit Stasi-Verstrickungen – etwa in Polizei, Justiz, Bildung, Kommunen – unter die Lupe genommen werden. Geprüft werden soll, welches Geschichtsbild über SED-Diktatur und Herbstrevolution „in den Medien, bei den Bürgern, in der Politik und in kulturellen Einrichtungen reflektiert bzw. geprägt wird.“ Es soll „der Zustand der politischen Kultur“ im Land analysiert werden, etwa die Identifikation der Bürger mit dem Rechtsstaat. Zitat: „Inwieweit ist es ... gelungen, Vorurteilen oder möglichen Vorbehalten (z.B. Ost-West oder zu polnischen Bürgern) entgegenzutreten.“

Nach dem Antrag will die Opposition auch die „Medienlandschaft in Brandenburg“ untersuchen lassen. Zitat: „Bietet sie durch Erneuerung, Vielfältigkeit, Recherche- und Berichterstattungsqualität genügend Voraussetzungen für eine plurale und differenzierende Meinungsbildung?“ Es wird mit Blick auf die Linken, aber auch auf Ex-SED-Blockparteien FDP und CDU nach „Brüchen und Erneuerungen“ in politischen Organisationen und Parteien gefragt. Und man nimmt ein Tabu ins Visier, die Agrargenossenschaften, die nahtlos aus früheren LPGs entstanden sind. Am Beispiel der „kollektivierten Landwirtschaft“ sei zu erörtern, „ob Ansprüche von Landeigentümern und landlosen Bauern bei der Vermögensauseinandersetzung“ nach 1990 „ausreichend berücksichtigt“ worden sind. „Werden die entstandenen ... Strukturen den Kriterien Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplatzsicherung, Landschaftspflege, Ökologie und Eigentumsstreuung gerecht?“. Die Passage sorgt bereits für erheblichen Wirbel.

Auch erste personelle Weichen sind gestellt. Ins Gremium entsenden CDU und Grüne die Stasi-Experten Christian Boos und Helmut Müller-Enbergs, die bereits maßgeblich den Auftrag formuliert haben. Für die SPD, die einen eigenen Antrag mit ergänzenden Aufgaben vorbereitet, ist der Theologe Richard Schröder im Gespräch. Den Vorsitz, der der SPD zusteht, wird die parlamentarische Geschäftsführerin und Politologin Klara Geywitz übernehmen.

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