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Brandenburg: Erdgasdepot ein Pulverfaß?

Pläne über gewaltige unterirdische Energiespeicher verängstigen die RüdersdorferVON CLAUS-DIETER STEYER RÜDERSDORF.Beunruhigende Geschichten machen in Rüdersdorf am östlichen Berliner Stadtrand die Runde.

Pläne über gewaltige unterirdische Energiespeicher verängstigen die RüdersdorferVON CLAUS-DIETER STEYER RÜDERSDORF.Beunruhigende Geschichten machen in Rüdersdorf am östlichen Berliner Stadtrand die Runde.Der ganze 10 000-Einwohner-Ort solle demnach in Kürze auf einem riesigen Pulverfaß sitzen.Jederzeit könnten ganze Straßenzüge in die Luft fliegen, wird befürchtet.Außerdem würde über kurz oder lang die Gegend um mindestens zehn Zentimeter absinken, was Einfamilienhäuser und Plattenbauten wohl nicht überstehen würden.Baupläne für einen der größten unterirdischen Erdgasspeicher Deutschlands nahe des Rüdersdorfer Zentrums haben diese Panik ausgelöst. Auf einer Gemeindevertretersitzung sprachen aufgebrachte Rüdersdorfer von großer Angst und unabsehbaren Folgen.Der angereiste Ingenieur Werner Harms vom niedersächsischen Energieunternehmen Energieversorgung Weser-Ems (EWE), für den Bau und den Betrieb des Speichers zuständig, hatte einen schweren Stand. Die EWE übernahm nach der Wende das Gasnetz in Ostbrandenburg und schloß seitdem rund 10 000 Kunden an ihre Leitungen an.Der Gaspreis der EWE gehört zu den niedrigsten in Ostdeutschland und liegt nach Unternehmensangaben um bis zu 30 Prozent unter dem der Gasag in Berlin."Damit das so bleibt, müssen wir die jahreszeitlichen Schwankungen im Bedarf ausgleichen", sagt Werner Harms.Das heißt: Das Gas im Sommer billig einkaufen, lagern, und im Winter, wo Erdgasbetriebe 70 Prozent ihrer Geschäfte machen, verkaufen. Die geplanten Ausmaße des Speichers sind gewaltig.In 1200 bis 1600 Meter Tiefe werden Hohlräume in Salzstöcken, sogenannte Kavernen, angelegt.Diese besitzen einen Durchmesser von 60 bis 70 Metern und dehnen sich 300 Meter von oben nach unten aus.Über Rohrleitungen sind sie mit den oberirdischen Speicheranlagen verbunden.In die Kavernen wird Erdgas mit einem Druck von 200 bar gepreßt.400 bis 480 Millionen Kubikmeter Gas faßt solch ein Hohlraum.In Rüdersdorf sind in der ersten Bauphase zwei Kavernen geplant.140 bis 150 Millionen Mark will die EWE dafür investieren.Später soll die Rüdersdorfer Erde vier Kavernen aufnehmen. Vorher allerdings muß das Salz aus dem Stock herausgelöst werden.Dazu wird es in der Tiefe zunächst angebohrt, dann in großen Wassermengen gelöst und schließlich abgepumpt.Das Wasser dafür kommt aus dem nahen Mühlenfließ.Kopfzerbrechen bereitet den Fachleuten der Verbleib der Salzlösung.Am billigsten wäre die Einleitung über eine Rohrleitung in die Oder."Gutachten haben uns eine Unbedenklichkeit bescheinigt", erklärt Harms.Da aber die Oder bekanntlich ein Grenzfluß ist, muß auch Polen diesem starken Eingriff in die Natur zustimmen.Immerhin hätte die Sole eine Salzkonzentration von 30 Prozent, dreieinhalb Jahre müßte eingeleitet werden. Die Angst der Rüdersdorfer konnte der Fachmann aus Niedersachsen kaum mindern.Ihnen war die Explosion eines Gasbetriebes zu DDR-Zeiten noch gut in Erinnerung.Damals hatten russische und deutsche Geologen nach Erdöl und Erdgas gesucht."Unterirdisch kann kein Erdgas explodieren.Dafür fehlt in den Hohlräumen die Luft", versucht Werner Harms die Gemüter zu beruhigen.Außerdem befänden sich in 60 bis 70 Meter Tiefe Sicherheitsventile."Eine hundertprozentige Sicherheit allerdings bietet keine Technik", gesteht Harms ein.Auch die Bedenken, daß im nahen Kalksteintagebau täglich gesprengt werde und sich Häuser in unmittelbarer Nähe befänden, habe das Unternehmen bedacht.Alle Schritte würden durch unabhängige Gutachten geprüft. Ob in Rüdersdorf aber überhaupt ein Erdgasspeicher gebaut wird, sollen die im Februar beginnenden Probebohrungen in den Salzstock zeigen.Nur wenn diese die erforderliche Qualität des Bodens belegen, wird die Baugenehmigung beantragt.Bis dahin wollen Bürgermeister Willfried Kroll und das EWE-Unternehmen die Ängste der Rüdersdorfer in weiteren Einwohnerversammlungen möglichst ausräumen.Auf die Frage, warum der Bürgermeister sich überhaupt auf ein solches Risiko eines Speichers eingelassen habe, greift dieser zu einem bewährten Argument: "Wenn so groß gebaut wird, bleibt von der Riesensumme bestimmt auch Geld in unserer Region."

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