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Brandenburg: Erinnern tut weh

Vor einem Jahr wurde in Potzlow ein 16-Jähriger brutal von Rechten ermordet. Heute beginnt in Neuruppin der Prozess gegen die drei Täter.

Neuruppin. Das Kreuz vor dem Eingang zum ehemaligen Schweinestall von Potzlow in der Uckermark ist mit Unkraut überwuchert. Brennnessel wächst, wilde Blumen, etwas Löwenzahn und dazwischen liegen Kranzschleifen, die vor ein paar Monaten noch bunt glänzten. Die Kuscheltiere sind vom vielen Regen aufgeweicht. Die Menschen in Potzlow machen offenbar einen großen Bogen um dieses Kreuz, das an eines der brutalsten Verbrechen der jüngeren Vergangenheit in Brandenburg erinnern soll. Der 16-jährige Schüler Marinus Schöberl kam hier auf „viehische Art“ ums Leben, wie es der Leitende Oberstaatsanwalt Gert Schnittcher formulierte.

Seine mutmaßlichen Mörder müssen sich ab dem heutigen Montag vor dem Landgericht in Neuruppin verantworten. Angeklagt sind drei Männer im Alter von 17, 18 und 23 Jahren aus Potzlow und Templin. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Nötigung, gefährliche Körperverletzung, versuchten Mord und Mord vor. Sie sollen am 12. Juli vergangenen Jahres den 16-Jährigen in einem stillgelegten Stallgebäude „zur Verdeckung einer vorangegangenen Körperverletzung und aus niedrigen Beweggründen getötet haben“, heißt es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft.

Marinus Schöberl war ein ruhiger, schüchterner Junge, einer, der die Sonderschule besuchte und eine Sprachstörung hatte. Eines von sieben Kindern.

Am jenem 12. Juli machte er sich wie so oft von seinem Heimatdorf Gerswalde auf den Weg zum nicht weit entfernten Potzlow. Der 16-jährige Marinus Schöberl blieb oft über Nacht in dem Dorf und schlief dann meistens in dem leeren Schweinestall. Die verhängnisvollen Geschehnisse begannen an einem Sommerabend in einer Potzlower Wohnung. Zwei Brüder, 23 und 17 Jahre alt, und ein 18-Jähriger tranken zusammen mit drei Erwachsenen sehr viel Alkohol. Marinus war dabei. Aber dann begannen die Jüngeren ihn zu ärgern und betrachteten ihn plötzlich als einen Feind. Seine blond gefärbten Haare und die weiten Hipp-Hopp-Hosen dienten dem laut der Staatsanwaltschaft rechtsextremistisch eingestellten Täter-Trio als Vorwand für eine ganze Kette von Provokationen.

In deren Mittelpunkt stand die Aufforderung an den körperlich unterlegenen Jungen, sich als „Jude“ zu bekennen. Nach Schlägen und Tritten gab Marinus dann das verlangte „Bekenntnis“ ab. In einer weiteren Wohnung in Potzlow wurden die Torturen gegen Marinus Schöberl noch mal verschärft.

Vorbild für die Tat soll der Hollywood-Streifen „American History X“ gewesen sein, in dem ein Neonazi zwei Schwarze brutal ermordet. Die Tötungsart weist jedenfalls Parallelen auf. Einer der angeklagten Jugendlichen gab an, diesen Film vorher gesehen zu haben. Im Film zwang der Skinhead sein Opfer, in den Bordstein zu beißen, um dann gegen den Kopf zu treten.

Im Potzlower Schweinestall, in den die drei Angeklagten Marinus verschleppt hatten, muss es ähnlich abgelaufen sein. Am Boden liegend, musste der 17-Jährige mehrere Tritte gegen den Kopf ertragen. Sie waren tödlich. Das Opfer wurde in einer Jauchegrube vergraben und erst im November gefunden, nachdem einer der Angeklagten mit der Tat geprahlt hatte.

Am Landgericht in Neuruppin sind zehn Verhandlungstage vorgesehen. Das Urteil soll am 18. Juni gesprochen werden. Möglicherweise wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, weil einer der Angeklagten zum Tatzeitpunkt unter 18 Jahre alt war.

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