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© Simone Diestel

Finanzminister Markov: „Mein Motiv ist nicht das Geld“

Finanzminister Helmuth Markov (Linke) übers Sparen, Rot-Rot und Matthias Platzeck.

Erkauft sich die rot-rote Koalition, durch die Stasi-Debatte unter Druck geraten, 2010 mit millionenschweren sozialen Wohltaten erst einmal Ruhe im Land?



Wir setzen im Haushalt 2010 um, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, übrigens vor der Stasi-Debatte. Für Bildung, Forschung und Wirtschaft stellt diese Regierung mehr Geld bereit, weil das rot-rote Prioritäten sind. Wir kaufen keine Ruhe, wir wollen ein vorsorgendes, lebenswertes Land für alle.

Aber trotz geringerer Einnahmen steigen 2010 die Ausgaben um eine halbe Milliarde Euro. Wo ist da ein Spar-Ansatz?

Es bekommen nicht alle mehr. Richtig ist, es gibt Sonderfaktoren, die in diesem Jahr das Gesamtvolumen ausnahmsweise auf 10,5 Milliarden Euro steigen lassen. So muss das Schlussdefizit aus dem Vorjahr von 148 Millionen Euro jetzt verbucht werden. Auch die Finanzierung des Konjunkturpakets in Höhe von 165 Millionen Euro gehört dazu. Die allgemeinen Ausgaben, einschließlich Zinsen, senken wir aber um circa 225 Millionen Euro. Für einen ersten Schritt ist das viel.

Sie machen 650 Millionen Euro neue Schulden, lösen auch die 450-Millionen-Rücklage des Landes auf. Warum plündern Sie das Sparbuch, wie die CDU-Fraktionsvorsitzende Johanna Wanka sagt?

Rücklagen sind dazu da, dass man in schlechten Zeiten darauf zurückgreift. Das tun wir, und das ist normal. Die CDU war zehn Jahre, in denen es Brandenburg besser ging, in der Regierung. Allein in den ersten fünf Jahren ihrer Regierungsbeteiligung von 1999 bis 2004 wurden 4,26 Milliarden Euro an Nettokreditaufnahme getätigt. Mir ist nicht bekannt, dass die Union einen Beitrag geleistet hat, in dieser Zeit die 18 Milliarden Euro Verbindlichkeiten zu verringern.

Schon ab 2011 wird sich Brandenburg die sozialen Versprechen kaum noch leisten können. Warum wecken Sie unrealistische Erwartungen?

Falsch! Wir werden die Koalitionsvereinbarung weiter umsetzen und finanzieren. Es wird schwieriger, das stimmt, weil wir deshalb anderswo noch stärker sparen müssen. Weil wir Jahr für Jahr 150 Millionen Euro weniger neue Kredite aufnehmen wollen, so dass Brandenburg ab 2014 vielleicht ohne Nettokreditaufnahme auskommt. Allerdings gibt es da Unwägbarkeiten. Wenn die schwarz- gelbe Bundesregierung weitere Steuergeschenke macht, sind alle Sparpläne Brandenburgs Makulatur.

Rot-Rot in Berlin hat gleich am Anfang eisern gespart. Warum beginnen Sie nicht wenigstens mit der Schuldentilgung, wie es die Grünen fordern?

Das ist fernab jeder Realität. Eine Anmerken: Der Hauptanteil dieser wahnsinnigen 18 Milliarden Euro Verbindlichkeiten, die Brandenburg belasten, wurde von 1990 bis 1994 angehäuft, nämlich 7,7 Milliarden Euro! Damals saßen die Bündnisgrünen in der Ampel-Regierung. Sie haben also eine Mitverantwortung.

Sie sind erster deutscher Finanzminister der Linken. Ein Widerspruch in sich?

Es gibt linke Finanzpolitik. Ein Beispiel: Glaubt einer, ich würde eine Klientel-Steuerpolitik oder ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz machen, wenn ich Bundesfinanzminister wäre? Nie und nimmer. Ich würde dafür sofort eine Börsenumsatzsteuer und die Vermögenssteuer wieder einführen.

Herr Markov, mit Verlaub, Sie sind Finanzminister in Brandenburg!

Ich trete dafür ein, Schwerpunkte zu setzen, sozialer, gerechter. Das tun wir: Der Landesjugendhilfeplan wird voll finanziert, wir sichern eine hervorragende Schüler-Lehrer-Quote von 15,4 : 1, kleinere Gruppen in den Kitas. Das ist linke Handschrift, das ist linke Finanzpolitik. Und ich versuche, im Bundesrat Mehrheiten zu gewinnen, dass die selbstmörderische Steuerpolitik des Bundes aufhört. Ich bin optimistisch, dass sich die anderen Länder, egal welcher Couleur, irgendwann anschließen. Alle leiden darunter.

Wann zieht Brandenburgs Linke die Verfassungsbeschwerde, als Opposition eingereicht, gegen die Schuldenbremse zurück?

Klar und deutlich: Ich bin für eine Klage Brandenburgs gegen die Schuldenbremse, als Person Helmuth Markov, als Linker. Mein Motiv ist nicht das Geld. Nicht der Nettokreditaufnahme wegen unterstütze ich diese Klage, sondern es ist grundsätzlicher demokratierechtlicher Natur: Ich denke, in unserem föderalen System hat der Bund kein Recht, so in die Länder-Finanzhoheit einzugreifen. Das sollte vor dem Bundesverfassungsgericht geklärt werden. Wir haben beim Karlsruher Urteil zu Hartz IV erlebt, dass erst die Justiz die herrschende Politik korrigieren muss.

Sie waren lange Europaparlamentarier. Welche Chancen hat der geplante Brandenburger Vorstoß, die vom ersten PlatzeckKabinett 2002 beschlossene Spaltung des Landes in zwei getrennte EU-Förderregionen rückgängig zu machen?


Ich bin dafür, dass man das versucht. Selbst wenn ein Risiko bleibt, ob Brandenburg tatsächlich wieder als einheitliche EU-Förderregion anerkannt wird und die finanziellen Rahmenbedingungen der nächsten Strukturfondsperiode auch noch ungewiss sind. Als Brandenburg diese Entscheidung damals gefällt hat, habe ich gewarnt, dass dies das Land um die 350 Millionen Euro kosten kann. Wenn sich herausstellt, dass eine Entscheidung korrigiert werden sollte, muss die Politik auch den Mut haben, dies zu tun.

Warum fasst Rot-Rot so schwer Tritt?

Wenn sich zwei Partner zusammenfinden, läuft es nirgendwo sofort rund. Diese Koalition arbeitet, auch wenn die Stasi-Debatte anfangs vieles überschattet hat. Im Gegensatz zur schwarz-gelben Koalition in Berlin arbeiten wir fair und gut zusammen. Wir bringen öffentliche Aufträge mit Mindestlöhnen auf die Reihe, das Bafög-Gesetz…

… aber da klemmt es fast überall.

Es gibt bei jedem Gesetz normale Abwägungen. Besser, wir prüfen das alles vorher, als dass wir Gesetze erlassen, die hinterher wieder kassiert werden.

Der Personalabbau in der Landesverwaltung bleibt ein heißes Eisen. Innenminister Rainer Speer (SPD) will bis 2020 jeden vierten Polizisten einsparen, knapp zweitausend Stellen. Warum brechen die Linken schon wieder ein Wahlversprechen?

Wir brechen kein Wahlversprechen. Es wird auch künftig ausreichend Polizisten geben, um Sicherheit zu gewährleisten. Deshalb bilden wir jetzt erstmals auch wieder neu aus.

Sie führen ein Ministerium, das sich über mehrere Untersuchungsausschüsse den Ruf eines Eigenleben erarbeitet hat. Werden Sie wie bei der Stasi-Jubiläumsverordnung sabotiert?

Ich habe dafür keine Anzeichen. Das Haus, die Beamten sind loyal. Der Verwaltungserlass ging nicht über meinen Tisch, er setzte lediglich seit April 2009 geltendes Recht um. Nun ändern wir gemeinsam die Gesetzeslage. Man muss sich aneinander gewöhnen. Jeder hat seinen Stil: Ich versuche die Beschäftigten einzubinden, rufe die Mitarbeiter auch direkt an. Das strenge Hühnerleiterprinzip ist nicht mehr existent.

Sie sind auch Vize-Ministerpräsident, wie erleben Sie persönlich Matthias Platzeck, der wegen seiner Entscheidung für Rot-Rot heftig angefeindet wird?


Fair und klar. Sicher, er ist auch Vorsitzender einer Partei, die in Brandenburg lange regiert, die ein eigenes Machtverständnis hat. Das unterscheidet sich von mir, der durch 19 Jahre Opposition geprägt ist. Ich schätze sehr, dass Matthias Platzeck rational, in der Sache, ausgewogen entscheidet. Dennoch kann er auch knallhart sein.

Das Interview führte Thorsten Metzner


Helmuth Markov, Jahrgang 1952, war von 1999 bis 2009 Linke-Europaabgeordneter, von 1990 bis 2004 auch Unternehmer. Seit 2009 ist er Finanzminister und Vize-Ministerpräsident im rot-roten Kabinett. Die SPD verzichtete, ein Novum in Deutschland, auf das Schlüsselressort. Markov brachte jüngst den Haushalt für 2010 durchs Kabinett – gegen den nun im Landtag die „Jamaika“-Opposition Sturm läuft.

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