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Frankfurt (Oder): Die Zukunft auf dem Fluss

Frankfurt liebäugelt mit einer Marina und Luxus-Häusern am Wasser. Die Stadt will einen Seitenarm der Oder vermarkten.

Frankfurt (Oder) – Wenn Michael Schönherr in Frankfurt am Ufer der Oder entlangfährt, kommt er aus dem Kopfschütteln kaum raus. „Die Stadt hat so viel Potenzial und nutzt es nicht“, sagt der 37-Jährige. Schönherr ist Bauunternehmer in Frankfurt, CDU-Stadtverordneter und Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung seiner Partei. Nach seiner Meinung müsste hier der Wassertourismus boomen, Motorboote und Yachten würden anlegen, deren Insassen die Stadt erkunden und ihr Geld ausgeben.

Die Realität sieht anders aus: Eine unscheinbare Holzplattform liegt an der Kaimauer, rund 500 Meter südlich der Brücke nach Slubice. Zwei kleine Kähne sind daran festgemacht. Wenn Boote vorbeifahren, meint Schönherr, dann müsste es heißen: „Willkommen“. Stattdessen lesen die Skipper Schilder, auf denen steht: „Anlegen verboten!“ Was Bootsbesitzer brauchen, die Möglichkeit zu duschen und den Fäkalientank ihres Wasserfahrzeugs fachgerecht entleeren zu lassen – an dem einzigen Anleger geht das nicht.

Doch dieser Zustand soll nach dem Willen der Verwaltung und einiger Abgeordneter nicht mehr lange andauern. Die Stadt will ein Gebiet etwas weiter nördlich an der Oder vermarkten, und das hat das Zeug für eine erstklassige Marina sowie Häuser mit gehobenem Standard: ein Seitenarm der Oder, der einen Kilometer fast parallel zum Fluss verläuft und Winterhafen heißt. Hier hatte die Bundespolizei ihre Boote liegen, bevor sie diese Ende 2007, nach Polens Beitritt zum Schengener Raum abzog. Ein verwaistes, teilweise zugewuchertes Gewerbegebiet schließt sich landeinwärts an. Die Hauptfrage, die man sich in der Stadt stellt, ist aber, wer dort hinziehen soll. In der Stadt fehle es an gut verdienendem Bürgertum, das sich solch ein Wassergrundstück überhaupt leisten könnte, gibt ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung zu bedenken.

Fast jeder Sechste in der Stadt, sagt die Statistik, ist von Hartz IV betroffen. Andreas Rein, Leiter des Wirtschaftsamtes, weiß, dass zwar ein paar gut situierte Leute in Frankfurt (Oder) arbeiten, aber sie wohnen nicht dort. Uniprofessoren der Viadrina kämen lieber täglich aus Berlin. Und die meisten gut verdienenden Führungskräfte der ansässigen Solarfirmen, die Mediziner und Banker hätten sich außerhalb niedergelassen. Die Oderstadt hat zwar noch rund 6000 Plattenbauwohnungen zu viel, die in den kommenden Jahren der Abrissbirne zum Opfer fallen sollen. „Für gehobene Ansprüche haben wir noch nicht die entsprechenden Potenziale“, sagt der Wirtschaftsamtsleiter.

Die Mittelstandsvereinigung will am liebsten sofort anpacken. „Es ist doch das Gleiche wie beim Oder-Neiße-Radweg“, sagt der Vorsitzende Michael Schönherr. „Als die Infrastruktur erst mal da war, kamen die Touristen und füllten die Pensionen.“ So würde es auch auf dem Wasser sein. Bei allem Elan fürchtet der CDU- Mann aber auch, dass aus seinem Traum ein Politikum werden könnte. „Wenn ich das Wort Yachthafen in den Mund nehme, drehen die durch“, sagt Schönherr. „Die“, das sind die Linken, die die Mehrheit im Stadtparlament haben. Schönherr fürchtet eine Neiddebatte. Und die wäre nicht gut vor den Oberbürgermeisterwahlen im Februar.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken Axel Henschke zeigt sich alles andere als abgeneigt und bezeichnet den Winterhafen als Filetstück der Stadt. „Man sollte aber nichts übers Knie brechen, nur um Kohle zu machen“, sagt er. Angesichts der klammen Finanzlage der Stadt möchte er „ungerne städtische Mittel zur Kofinanzierung ausgeben“. Die wären aber nötig, denn selbst wenn man für die Entwicklung des Hafens die gegenüberliegende Stadt Slubice als Partner ins Boot holt und Interreg-Mittel bei der EU beantragt, müsste Frankfurt mindestens 15 Prozent selbst bezahlen. Michael Schönherr schätzt, dass eine professionelle Marina samt Duschen, Stromversorgung und Fäkalienpumpe bis zu einer halben Million Euro kosten kann. Es gehe aber auch einige Nummern kleiner. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU), in Frankfurt (Oder) zu Hause, gab der Stadt kürzlich auf einer Konferenz seine ganz eigene Empfehlung: Loslegen. Andreas Wilhelm

Andreas Wilhelm

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