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Fußball: Hoffen auf den göttlichen Kick

Warum ein Berliner Priester eine Kerze für den Sieg von Energie Cottbus gegen Hertha BSC anzündet.

Von Sandra Dassler

In Hamburg waren sie ihm zuerst richtig böse. Aber dann hat er die Geschichte erzählt und die Fußballfans in der slowenischen Gemeinde der Hansestadt verstanden alles. Das war im Dezember, als der HSV im Bundesligaspiel gegen den damaligen Tabellenletzten Cottbus einfach nicht gewinnen konnte. Ob das tatsächlich an der Kerze lag, die Izidor Pecovnik vor dem Spiel für Cottbus angezündet hatte? Der Priester schmunzelt: „Das werden wir ja heute Abend wissen.“

Heute Abend spielt Energie Cottbus gegen Hertha BSC und die Kerze für den Sieg der Lausitzer wird mitten in Berlin brennen: in der St. Elisabeth-Kirche in Schöneberg. Izidor Pecovnik, den sie hier in der katholischen Gemeinde nur „Pfarrer Dori“ nennen, hebt bedauernd die Schultern. „Ich bin gern hier Priester und mag Berlin. Aber mein Herz schlägt für meinen Landsmann – den Trainer von Cottbus, Bojan Prasnikar.“

Und dann folgt die Geschichte von den beiden Jungen, die vor knapp vier Jahrzehnten im heimatlichen Slowenien begeistert Fußball spielten: Bojan Prasnikar bei Smartno ob Paki und Izidor Pecovnik bei Vransko. Die Nachbarorte liegen in der Nähe von Celje, der drittgößten Stadt Sloweniens. „Ich erinnere mich gut an unser erstes Spiel gegeneinander“, erzählt Pecovnik. „Bojan war schon ein berühmter Stürmer und ich ein keineswegs berühmter Torwart. Ich bewunderte ihn.“

Dann besuchte Pecovnik die Priesterschule, Prasnikar wurde ein bekannter Fußballer und studierte Sport. Jahre später trafen sie sich in der Nähe ihrer Heimatorte wieder, gründeten eine Altherrenmannschaft und frönten einmal in der Woche ihrer Fußball-Leidenschaft. Hinterher saßen sie mit Gleichgesinnten bei Bier und Wein zusammen und diskutierten. „Es war die Zeit, als Jugoslawien zerfiel“, erinnert sich Pecovnik: „Die Bürgerkriege begannen, zum Glück blieb Slowenien verschont. In unserer Mannschaft gab es Katholiken und Kommunisten und viele Meinungen. Aber wir verstanden uns, sangen, spielten Gitarre oder Harmonika.“

1995 übernahm Pecovnik das Amt des katholischen Pfarrers für die slowenische Gemeinde in Berlin. Die war in den 60er Jahren entstanden, als die jugoslawischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Etwa 3000 Landsleute betreut Pfarrer Dori in Berlin, 1000 sind es in Hamburg, 300 in Hannover. „Wir bleiben in Verbindung mit der Heimat“, sagt der agile Priester, der auch als Seelsorger in der deutschen Gemeinde arbeitet: „Oft kommen slowenische Künstler.“ Es gibt Gottesdienste in slowenischer Sprache, eine Herberge und eine Fußballmannschaft – natürlich unter Obhut von Pfarrer Dori.

Als der eines Tage einen Anruf erhielt „Dori, ich bin jetzt Trainer in Cottbus“, glaubte er es nicht. Bojan Prasnikar hatte sich inzwischen in Slowenien einen Namen als Trainer gemacht, die Nationalmannschaft betreut und 1999 mit NK Maribor erstmals eine slowenische Mannschaft in die Champions League führte. „Er hätte mit seiner letzten Mannschaft Primorje Meister werden können, aber wahrscheinlich hat ihn die fast unlösbare Aufgabe in Cottbus mehr gereizt“, sagt Pecovnik: „Bojan liebt Herausforderungen.“

Nach dem Cottbuser Sieg gegen die Bayern hat Pfarrer Dori gleich bei Prasnikar angerufen, erzählt er. Und dass der seine kleine Mannschaft zum Spiel ins Stadion der Freundschaft eingeladen habe. Und wie er sich beim Besuch im Spreewald, wo der Trainer wohnt, gleich heimisch fühlte wegen der sorbischen Ortsnamen. „Wir haben uns in der Gemeinde auch schon mit Sorben getroffen“, sagt er: „Unsere Sprachen ähneln sich und auch unsere Mentalitäten. Die Sorben sind 60 000 und wir Slowenen auch nur zwei Millionen. Kleine Völker.“ Und weil sein Herz nicht nur für den Freund, sondern eben auch für die „Kleinen“ schlägt, will Izidor Pecovnik heute die Kerze für Cottbus anzünden. „Die haben so wenig Geld, müssen ständig gegen den Abstieg kämpfen“, sagt er.

In ein paar Jahren wird Pfarrer Dori in die Heimat zurückkehren. Ein Häuschen hat er sich dort für den Ruhestand bereits eingerichtet. Mit einem kleinen Fußballplatz daneben. Über dem Eingang steht „Arena Prijateljstva“ – Stadion der Freundschaft. Sandra Dassler

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