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Polittheater

© picture-alliance/ akg

Geschichte: Polittheater im Kirchenschiff

Vor 75 Jahren inszenierten die Nazis den „Tag von Potsdam“. Hitlers Händedruck mit Generalfeldmarschall Hindenburg krönte damals den Propagandasieg.

Der 21. März 1933 war auch ein Tag der Postkartenverkäufer, bescherte ihnen mit dem „Tag von Potsdam“ ein neues, gut variierbares Motiv. Angeboten wurde es zunächst in vermeintlich dokumentarischer Manier: „Reichskanzler Hitlers Gelöbnis“, der neue Regierungschef bei seiner Rede in der Garnisonkirche, ihm gegenüber Reichspräsident Paul von Hindenburg und Preußens Ministerpräsident Hermann Göring. Besonders den barocken Kirchenbau stellte eine „Der Potsdamer Kurs“ betitelte Karte heraus, ergänzt mit Porträts von Friedrich II., Hindenburg und Hitler. Und als Kartengruß der Nationalsozialisten gab es eine um Bismarck erweiterte Vierergruppe: „Was der König eroberte, der Fürst formte, der Feldmarschall verteidigte, rettete und einigte der Soldat.“

Das „Dritte Reich“, das in der Tradition Preußens und des Kaiserreiches steht, der neue Kanzler, der das Vermächtnis des Alten Fritz vollendet – so lautete die Botschaft dieser Karten, banale, gleichwohl populäre Instrumente in der Gesamtinszenierung, die Propagandaminister Joseph Goebbels an diesem 21. März 1933, morgen vor 75 Jahren, gelungen war.

NSDAP verfehlte absolute Mehrheit

Anlass zu dem Staatsakt in Potsdam war die Eröffnungssitzung des am 5. März 1933 neugewählten Reichstags, in dem die NSDAP trotz Stimmengewinnen die absolute Mehrheit verfehlt hatte, also auf die Nationalkonservativen um Vizekanzler Franz von Papen als Koalitionspartner angewiesen blieb. Nach dem Reichstagsbrand in der Nacht auf den 28. Februar war das Berliner Sitzungsgebäude als Ort der Feier nicht möglich, Hitler hatte als Ersatz das Potsdamer Stadtschloss vorgeschlagen. Dort gab es keinen Raum von hinreichender Größe, auch andere Repräsentationsbauten erwiesen sich als untauglich, so dass ein Potsdamer Obermagistratsrat die Garnisonkirche empfahl, seit langem ein Ort nationaler Identifikation.

Hitler stimmte zu, die Kirchenleitung und auch Hindenburg widersetzten sich aber dem Plan, das Gotteshaus zum Parlamentsgebäude umzufunktionieren. Als Kompromiss sollte die Garnisonkirche daher nur Ort eines Staatsakts sein, nach konfessionell getrennten Gottesdiensten in der Nikolai- und der Stadtpfarrkirche und mit der eigentlichen Eröffnungssitzung im Langen Stall, die dann doch in der Berliner Krolloper stattfand.

Der 21. März begann mit einem Affront Hitlers, der dem Eröffnungsgottesdienst fernblieb und stattdessen auf dem Luisenstädtischen Friedhof in Berlin getöteter SA-Männer gedachte. Für Martin Sabrow, Direktor des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung, war das ein von Goebbels ausgeheckter Schachzug, der die Zähmungsversuche von Papens („In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht!“) schon im Ansatz ersticken wollte. Dennoch habe der Tag von Potsdam „weitgehend im Zeichen der monarchisch-konservativen Tradition“ gestanden, und „auch der Staatsakt selbst schien den symbolpolitischen Sieg des monarchischen Restaurationsgedankens über die braune Revolutionsideologie zu unterstreichen.“

Historischer Händedruck vor der Kirche

Zweifelsohne war Hindenburg, uniformiert als kaiserlicher Generalfeldmarschall, die imposantere Gestalt gegenüber dem im ungewohnten Cut und mit Zylinder auftretenden Hitler. Auch ihr historischer Händedruck vor der Kirche – der Präsident majestätisch, gönnerhaft, der Kanzler bescheiden, geradezu untertänig – gaukelt eine Hierarchie der Macht, eine Respektierung des Alten durch das Neue vor, ein Trugbild, schon zwei Tage später mit dem Ermächtigungsgesetz hinfällig.

Auch dominierte in der Stadt nicht das Hakenkreuz, sondern das SchwarzWeiß-Rot des Kaiserreichs. Gleichwohl, oder gerade deshalb, als letztes Täuschungsmanöver vor der Selbstentmachtung des Parlaments am 23. März, war der Tag von Potsdam für Goebbels’ anlaufende Propagandamaschinerie ein Triumph. Die Radioübertragung verbreitete die Botschaft von der vermeintlichen nationalen Erneuerung im ganzen Land. Überall hörte man die Reden Hindenburgs und des überraschend moderaten Hitler, die 21 Salutschüsse, die Marschmusik der endlosen Militärparade, schließlich den dumpfen Tritt der im Fackelschein vorbeiziehenden SA-Männer und anderer Verbände. Aber da hatten Hitler und sein Kabinett die Stadt schon lange wieder verlassen. Andreas Conrad

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