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Brandenburg: Große Weltpolitik zu Gast in einem kleinen Dorf

Schloss Genshagen, zwölf Kilometer südlich von Berlin, wird heute zum Schauplatz des Gipfeltreffens von Gerhard Schröder und Jacques Chirac

Genshagen. Mit der Beschaulichkeit im kleinen Genshagen am Berliner Stadtrand ist es wieder einmal vorbei: Im Schloss des kleinen Dorfes kommen heute Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Präsident Jacques Chirac zusammen. Die Vorbereitungen für das Gipfeltreffen haben für das Dorf, zwölf Kilometer südlich von Zehlendorf gelegen, schon am Wochenende bedeutet: Polizeistreifen, Übertragungswagen mit großen Satellitenschüsseln, Lieferfahrzeuge mit Delikatessen an Bord, dunkle Limousinen und Absperrbänder.

Bereits zum 17. Mal treffen sich die Staats- und Regierungschefs beider Länder zu ihren Konsultationen, nachdem Anfang 2001regelmäßige Treffen vereinbart worden waren. In Genshagen haben sich diesmal auch die Außenminister Joschka Fischer und Dominique de Villepin angesagt. Eine feste Tagesordnung gibt es nicht. Das Schloss wurde auserwählt, weil hier das Berlin-Brandenburgische Institut für Deutsch-Französische Zusammenarbeit in Europa arbeitet. Dessen Name ist mit dem Wirken der im November vergangenen Jahres verstorbenen Kanzlerberaterin Brigitte Sauzay verbunden. Sie führte hier nicht nur Wissenschaftler und Manager beider Länder zusammen, auch Künstler und Jugendliche. Stets lobte sie den Charme des lange Zeit wenig ansehnlichen Gebäudes. „Es kommt nicht auf die Hülle, sondern stets auf den Inhalt der Gespräche an“, lautete ein Motto von Brigitte Sauzay.

Erst nach und nach zeigt das Schloss seinen ursprünglichen Glanz. Im Dezember 2002 mussten Schröder und Chirac wegen Bauarbeiten in Genshagen sogar an einen anderen Ort ausweichen. Sie blieben aber nicht etwa in Berlin, sondern bevorzugten die Abgeschiedenheit des Schlosses Hubertushöhe in Storkow.

Diesmal präsentiert sich das Genshagener Anwesen erstmals mit der originalen weißen Fassade. Das Einheitsgrau aus DDR-Zeiten und der bröckelnde Putz sind verschwunden. Bis kurz nach der Wende hatte hier das Wissenschaftlich-Technische Zentrum für Landwirtschaft des Bezirks Potsdam seinen Sitz. Die Geschichte des Schlosses geht auf die Jahre 1878 bis 1880 zurück. Damals ließ sich der „Königlich-Preußische Geheime Rath“ Carl Ferdinand Schulz auf den Fundamenten eines um 1700 entstandenen Herrenhauses ein dreistöckiges Anwesen bauen. Die repräsentative Parkanlage mit einem Teich in der Mitte war eine Idee der Baronin von Eberstein, die das Schloss als Hochzeitsgeschenk von ihrem Vater Schulz 1882 erhalten hatte. Danach wurde das Haus mehrfach verändert. 1912 erhielt es ein großes Mansardendach und einen Turm sowie zwei Jahre später das repräsentative Portal, vor dem heute Schröder und Chirac vorfahren.

Wie im Osten üblich, fielen Schloss und Gut nach Kriegsende zunächst an die sowjetische Militärverwaltung. Die Familie Eberstein wurde enteignet. Heute ist das Institut für Deutsch-Französische Zusammenarbeit Eigentümer der Immobilie und des 7,5 Hektar großen Parks. Die Wiederherstellung hat erst begonnen.

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