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Brandenburg: Gymnasien: Massenansturm auf "Turbo-Klassen" blieb bislang aus

Steffen Reiche nennt Brandenburgs Schulsystem oft, und das klingt nicht gerade uneitel, das "größte Unternehmen" des Landes. Der SPD-Bildungsminister ist, so soll man es wohl verstehen, dessen Lenker, Modernisierer und Sanierer zugleich.

Steffen Reiche nennt Brandenburgs Schulsystem oft, und das klingt nicht gerade uneitel, das "größte Unternehmen" des Landes. Der SPD-Bildungsminister ist, so soll man es wohl verstehen, dessen Lenker, Modernisierer und Sanierer zugleich.

Tatsächlich kann sich Reiche durchaus zugute halten, dass von Stagnation an Brandenburgs Schulen inzwischen niemand mehr spricht. Dabei ist es noch gar nicht lange her, da wurden während der damaligen SPD-Alleinregierung vor 1999 massive Defizite im hiesigen Bildungssystem beklagt, ob von Wirtschaft, Eltern, Schülern oder der damaligen CDU-Opposition. Im Gegenteil - hört man jetzt Kritik von Gewerkschaften oder aus der Lehrerschaft, dann eher an zu schnellen, an zu radikalen Veränderungen im "sensiblen Organismus" Schule.

Wenn in wenigen Tagen in Brandenburg für rund 394 000 Schüler und 27 692 Lehrer das neue Schuljahr beginnt, wird die nächste Etappe der von der Großen Koalition beschlossenen "Bildungsoffensive" umgesetzt - wieder mit neuen gravierenden Einschnitten. Die wichtigste Premiere: An 43 Gymnasien und Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe in Brandenburg starten die "Schnellläuferklassen", um die es in der Großen Koalition lange Streit gegeben hatte: Und zwar weniger deshalb, weil die 1036 Fünftklässler, die dort künftig die Schulbank drücken, im Rahmen eines Modellversuchs bereits in acht Jahren ihr "Turbo-Abitur" ablegen können - also schon nach der 12. Klasse statt wie üblich nach der 13. Klasse. Vielmehr berühren die neuen Sprinter-Klassen einen Grundnerv des SPD-geprägten Bildungssystems, nämlich die bislang als unantastbar geltende sechsjährige Grundschule. Jetzt ist es auch in Brandenburg möglich, dass begabte Kinder - wie in fast allen anderen Bundesländern üblich - bereits nach der vierten Klasse auf weiterführende Schulen wechseln können, was einer langjährigen Forderung der CDU enstpricht.

Allerdings: Der von der Union erwartete Massenansturm auf die Turbo-Klassen (Modell vier plus acht) ist zunächst ausgeblieben, es gab es nur wenige Bewerber mehr als Plätze. Würde man zuviele Fünftklässer aus der sechsjährigen Grundschule herausziehen würde, konstatierte Minister Reiche erleichtert, "würde man auch ihren integrativen Ansatz zerstören."

Wer in Oberhavel im nordwestlichen Berliner Umland oder in Dahme-Spreewald im Süden lebt, hat hingegen keine Wahl: Diese beiden Landkreise haben mit SPD/PDS-Mehrheiten in den Kreistagen die neuen Schnelläuferklassen boykottiert. Stattdessen soll dort später ausschließlich das geplante SPD-Modell für das 12-JahreAbitur eingeführt werden. Diese geplanten Turboklassen nach dem sechsten Schuljahr (Modell Sechs plus Sechs) sollen in künftigen Schuljahren ebenfalls landesweit erprobt werden.

Aber auch die Grundschulen selbst betreten Neuland: Früher wegen zu geringem Anforderungen oft in der Kritik, werden jetzt erstmals die 5. und 6. Klassen in Lerngruppen geteilt, und zwar nach Vermögen und Neigung - Leistung soll stärker im Vordergrund stehen. Dies sei eine wichtige Vorraussetzung für die Einführung der künftigen Sechs-plus-Sechs-Klassen, wie Reiche betont. Zugleich wird der FremdsprachenUnterricht an den Grundschulen massiv ausgeweitet. Die so genannte "Begegnungssprache" in der 3. Klasse wird an 86 Prozent aller Grundschulen angeboten werden, bisher waren es 38 Prozent. In Cottbus, Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Elbe-Elster gibt es bereits flächendeckend solche frühen Sprach-Angebote, sagt Reiche. "Wovon andere noch reden, das machen wir längst" - im "größten Unternehmen" des Landes.

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