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Brandenburg: Häftling stundenlang gequält

Brandenburgs Gefängnisse sind modern und nicht überbelegt. Dennoch kommt es auch hier zu Gewalt Das zeigt ein Prozess, der ab heute am Landgericht Frankfurt (Oder) verhandelt wird

Frankfurt - Nur wenige Monate ist es her, als Gefangene in der JVA Siegburg einen Gefangenen ermordeten: Aber Gewaltexzesse sind selbst in Brandenburgs nicht überbelegten und in den letzten Jahren modernisierten Gefängnissen möglich. Dies zeigt ein Fall, der ab heute am Landgericht Frankfurt (Oder) verhandelt wird. Der 22-jährige Robin G. muss sich vor der Jugendstrafkammer verantworten, weil er mit vier Häftlingen in der Jugendhaftanstalt Wriezen im April 2005 zwei andere Gefangene stundenlang gequält und sexuell missbraucht hatte. Möglich war dies, weil ein Wärter die Knast-Clique unbeaufsichtigt ließ. Gegen ihn wird wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt.

Die anderen vier an der Gewaltorgie beteiligten Haftkumpane von Robin G. waren bereits im November 2006 wegen gefährlicher Körperverletzung und sexueller Nötigung zu Haftstrafen zwischen vier und fünfeinhalb Jahren verurteilt worden. Auch Robin G. war damals nach seiner Entlassung angeklagt, aber nicht zum Prozess erschienen. Zielfahnder des Brandenburger Landeskriminalamtes spürten den Flüchtigen, der wegen Eigentumsdelikten, Erpressung, schwerer Körperverletzung, Brandstiftung und Landfriedensbruch einschlägig bekannt ist und als gewalttätig gilt, Mitte Dezember 2006 in Pritzwalk auf.

So wird nun ein zweites Mal aufgerollt, was sich in der auf Jugendliche und junge Erwachsene spezialisierten Haftanstalt in Wriezen, die nach Millioneninvestitionen in den letzten Jahren als Vorzeige-JVA gilt, am Abend des 22.April 2005 abspielte. Robin G. und die vier bereits Verurteilten gehörten zu einer gewaltbereiten Knast-Clique, die unter den Insassen den Ton angab. Der Vorsitzende Richter Andreas Dielitz hatte im ersten Prozess von einer „dominierenden Gruppe“ in der JVA gesprochen. Diese wollte sich an einem Mithäftling rächen, den man für einen „Anscheißer“ hielt. Zwar hatte sich der Mann, der sich bedroht fühlte, mit einem Mitgefangenen einschließen lassen. Doch beim so genannten Aufschluss um 17 Uhr, bei dem alle Zellen geöffnet werden und Gefangene sich besuchen dürfen, hatte ein Beamter der Clique auf deren Drängen die Zelle geöffnet – und war selbst für drei Stunden verschwunden. Für die Opfer wurde es ein Martyrium: Sie wurden geschlagen und getreten. Die Clique zwang die beiden Männer, sich gegenseitig sexuell zu befriedigen. Man würgte den „Anscheißer“ mit einem Gürtel. Drei Stunden, ohne dass ein Bediensteter eingriff.

Für das Justizministerium ist der Fall trotzdem eine Ausnahme und „nicht symptomatisch für Brandenburgs Justizvollzugsanstalten“, wie Sprecher Thomas Melzer sagt. In der JVA Wriezen seien Konsequenzen gezogen, die Abläufe so verschärft worden, dass Bedienstete auch während des „Aufschlusses“ die Hafträume kontrollierten.

Gewaltdelikte in Brandenburger Gefängnissen sind laut Ministerium inzwischen eher selten. Im Jahr 2000 waren es 44, im Jahr 2005 noch 33, 2006 zählte man 14. Eine Überbelegung wie in Berlin, die als eine Gewaltursache gilt, gebe es in Brandenburg nicht. Auf 2407 Haftplätze kämen derzeit nur 2079 Häftlinge. Trotzdem, so Justizsprecher Melzer, kann man Gewalt nicht ausschließen.

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