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Brandenburg: Heidekrautbahn: Blumenpflücken während der Fahrt verboten

Wahre Eisenbahnromantiker lassen sich nicht von Regen und Kühle abschrecken. Sie befühlen ehrfurchtsvoll alte Stahlrösser, klettern auf Führerstände, kriechen unter Waggons und streiten um die beste Fotoposition.

Wahre Eisenbahnromantiker lassen sich nicht von Regen und Kühle abschrecken. Sie befühlen ehrfurchtsvoll alte Stahlrösser, klettern auf Führerstände, kriechen unter Waggons und streiten um die beste Fotoposition. Solche Szenen bestimmten auch das gestrige Fest zum 100-jährigen Bestehen der Heidekrautbahn zwischen Berlin und Groß Schönebeck in Basdorf. Tausende Neugierige drängelten sich zwischen alter und neuer Technik. Die schönste Anreise bot der Dampflokzug der Berliner Eisenbahnfreunde vom Haltepunkt im Märkischen Viertel bis nach Basdorf. Auch am heutigen Sonntag zieht die 1925 gebaute Lok "Ampflwang" noch dreimal alte Waggons, so genannte Donnerbüchsen, durch die Heide.

Nicht nur das Wetter trieb viele Besucher von der Parade der Eisenbahntechnik aus mehreren Jahrzehnte in die trockenen Ausstellungsräume. Es war vielmehr die besondere Geschichte dieser zu den schönsten Eisenbahnstrecken zählenden Verbindung von der Großstadt ins Umland. Angefangen hatte alles Ende des 19. Jahrhundert. Auch damals herrschte Ebbe in den öffentlichen Kassen, so dass die Eisenbahn von Reinickendorf nach Basdorf vorwiegend mit privatem Kapital gebaut wurde. Der erste Zug verkehrte am 20. Mai 1901 und schon damals wurde der liebevolle Namen "Heidekrautbahn" geprägt. Denn es ging recht gemütlich zu. Hier soll auch der Spruch "Blumenpflücken während der Fahrt verboten" seinen Ursprung haben.

Durch die deutsche Teilung schien das Schicksal der Strecke besiegelt zu sein. Denn der Endbahnhof Berlin-Wilhelmsruh lag plötzlich im Grenzgebiet. Er durfte nicht mehr betreten werden. Die Züge endeten in Schildow, später in Blankenburg und bis heute in Karow. Nach der Wende erhielt die Niederbarnimer Eisenbahn AG (NEB) ihr Streckennetz zurück. Sofort erkannten die Aktionäre - die Industriebahngesellschaft Berlin, mehrere Landkreise und Kommunen - ihre Chance. Denn plötzlich musste die Deutsche Bahn Gebühren für die Streckennutzung zahlen. Dieser einmalige und kuriose Zustand füllte die Kassen. Mit zusätzlichen Krediten startete die NEB ein 25 Millionen Mark teures Modernisierungsprogramm. Bisher sind zwölf Kilometer Gleise und sieben Bahnsteige erneuert worden. Außerdem erhielten mehrere Bahnübergänge endlich Schranken oder Lichtsignale, nachdem es gerade im Bereich Wandlitz mehrere schwere Unfälle gegeben hatte.

Künftig soll die 100-jährige Heidekrautbahn wieder nach Wilhelmsruh und weiter nach Gesundbrunnen fahren, um so einen besseren Anschluss an die Fernzüge und die Berliner Innenstadt zu schaffen. Doch dafür müssten Brandenburg und Berlin insgesamt 6,2 Millionen Mark aufbringen. Verkehrsminister Hartmut Meyer (SPD) signalisierte bereits "wohlwollende Unterstützung". Berlin dagegen hält sich zurück. Die Finanzierung des Projektes sei ein großes Problem, hatte die Staatssekretärin des Berliner Senators für Stadtentwicklung, Maria Krautzberger, kürzlich eingeräumt. Bis zum Herbst werde eine Entscheidung fallen.

Dann könnten vielleicht auch die zum Jubiläumsfest gezeigten modernen Regionalbahnen oder sogar Doppelstock-Schienenbusse fahren. Wer es lieber nostalgisch will, kann heute vom Haltepunkt Wilhelmsruher Damm um 9.05, 12.05 und 16.05 Uhr in den Dampfzug nach Basdorf einsteigen.

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