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Brandenburg: Im Gleichschritt, marsch!

Vor 50 Jahren wurde die NVA gegründet In Strausberg war ihr Hauptquartier

Strausberg - Der Major außer Dienst, Rolf Barthel, ist einer der roten Rentner von Strausberg. Seit 50 Jahren lebt er nun vor den Toren Berlins, in der „Grünen Stadt am See“, wie Strausberg sich heute selber nennt. Rot ist hier immer noch die erste politische Farbe, grün die Wälder ringsherum. Vor allem aber militärisches Grau hat in der Garnisonsstadt seit fast 300 Jahren dominiert. „Steingrau waren ja auch unsere Uniformen der NVA, so wie bei den Preußen zu Beginn des 19. Jahrhunderts“, sagt Barthel, der von Sachsen nach Strausberg kam, nachdem die „Nationale Volksarmee“ am 1. März 1956 gegründet worden war.

Doch dort, „wo es einen großen Sandkasten gab mit dem Kriegsschauplatz Europa“, (Barthel) weht heute vor dem Tor die Fahne des ehemaligen Feindes, der Bundesrepublik. In Strausberg sitzt das „Wehrbereichskommando Ost“ und 16 andere Stellen der Bundeswehr.

Rolf Barthel ist Jahrgang ’32, und die Idee eines antifaschistischen Staats hat ihn zur Waffe gebracht. Kubakrise und Prager Frühling erlebte er in Strausberg in Gefechtsbereitschaft. „Aber uns war allen klar, dass der Feind aus dem Westen zuerst schießt – wir hätten ja nur zurückgeschossen.“ Über die Formulierung muss er selbst lachen. In Strausberg sei immer alles voller Uniformen gewesen, „das ist ja heute bei weitem nicht mehr so.“

Immerhin tauchen einzelne tarnfarbige Kleidungsstücke bei den Jugendlichen auf, die etwa am S-Bahnhof Strausberg Stadt herumlungern. „Ich kenne auch eine Frau aus der PDS, deren Sohn zu dieser rechtsextremen Strausberger Kameradschaft gehörte. Das ist traurig“, sagt Barthel. Strausbergs Übergänge sind fließend. Von einem Staat in den anderen, von einer Uniform in die andere. Das Militär blieb immer der größte Arbeitgeber, zu DDR-Zeiten für 10 000 Menschen. Heute noch liegen 40 Prozent aller Arbeitsplätze in der 26 000-Einwohner-Stadt auf Militärgelände.

Hans-Peter Thierfeld musste seine Uniform nie wechseln. „Am 2. Oktober 1990 bin ich nach Strausberg gekommen und habe einen Tag später am großen Appell teilgenommen.“ Als Bundeswehrsoldat erlebt er das Ende der NVA, das mit diesem Appell besiegelt wird. „Mein damaliger Chef war General Schönbohm, der als Brandenburgs Innenminister auch heute noch mein Chef ist.“ Thierfeld ist Bürgermeister, parteilos. 50 000 NVA- Soldaten wurden der Bundeswehr unterstellt, von einem auf den anderen Tag sollten aus Feinden Kameraden werden. Rainer Eppelmann, der als erster ziviler Verteidigungsminister der DDR die Abrüstung der NVA politisch umsetzte, sagt rückblickend: „Es war einfacher, als wir es uns vorgestellt hatten, weil es viele Ähnlichkeiten gab, im Menschlichen wie in der Dienstauffassung.“

Zwölf Jahre lang diente Thierfeld als Soldat auf Zeit, seit vier Jahren ist er Bürgermeister. Und als Hauptmann der Reserve nimmt er gerne an Übungen teil, „das ist schön kameradschaftlich“. Währenddessen pflegen viele ehemalige NVA-Offiziere ihre Kameradschaft in der PDS weiter. „Die meisten der ehemaligen Armeeangehörigen wählen die PDS, viele sind Mitglied“, sagt Barthel. Die Sozialisten stellen bis heute die stärkste Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung.

Olaf S, ermeyer

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