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Brandenburg: Immer mehr Schaben, immer mehr Müll

Abfälle landen weiterhin unkontrolliert auf der Deponie in Bernau. Anwalt ermutigt Betroffene zu Klagen

Bernau - Drei Tage nach dem Löschen des Großbrandes auf der Deponie am Rande von Bernau herrscht dort weiterhin dicke Luft – allerdings nur im übertragenen Sinne. Anwohner rund um den Recyclinghof beschweren sich massiv über den Umgang mit den Folgen des Großbrandes: Einerseits nimmt die Schabenplage Experten-Aussagen zum Trotz immer dramatischere Ausmaße an, und zum anderen empören sich viele Einwohner über die rasche Wiederinbetriebnahme der Müllkippe.

Wie Beobachtungen auch gestern zeigten, fahren Müllfahrzeuge die Deponie wieder regelmäßig an. Eine Kontrolle der Ladung durch Behörden oder die Polizei findet nicht statt. „Wir organisieren das erst noch“, sagte Helmut Geißler, Abteilungsleiter im Brandenburger Umweltamt. Man sei nicht in der Lage, so schnell entsprechende Mitarbeiter abzustellen oder gar Polizisten einzuweisen.

Gerade diese Kontrolle des angelieferten Abfalls müssten Anwohner vom Landesumweltamt verlangen, erklärte der auf Umweltverfahren spezialisierte Berliner Rechtsanwalt Klaus-Martin Groth. „Sie könnten auch die sofortige Stilllegung der Deponie fordern.“ Schließlich müsse jeder Betreiber einer solchen Anlage laut Abfallrecht seine Zuverlässigkeit unter Beweis stellen. Es dürfe keine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgehen, sagte Groth. Offensichtlich sei das in Bernau aber nicht der Fall gewesen. Falls das Landesumweltamt nicht auf die Forderungen von Anwohnern reagiere, könnten diese vor Gericht einen Stopp des Betriebes durchsetzen.

Im August hatte das Landesumweltamt eine Überschreitung der erlaubten Menge an Gewerbe- und Hausmüll um das 2,6-fache festgestellt. Doch die Betreiberfirma Geab (Gesellschaft für Abfallverwertung und Bodensanierung) wies mit einem Widerspruch vor dem Verwaltungsgericht die Anordnung zur Verkleinerung der Müllmenge zurück. Auf die Ablehnung des Widerspruchs und einen Eilantrag des Gerichts, die Annahme weiteren Mülls zu stoppen, reagierte das Unternehmen nicht. Wie Recherchen jetzt ergaben, drohte das Landesumweltamt deshalb ein Zwangsgeld von bis zu 50000 Euro an. Einen Tag nach der Zustellung des Schreibens am 9.September stand die Deponie in Flammen. Die Brandursache ist ungeklärt.

„Inzwischen hat die Firma eine Liste mit der Art von Abfall erhalten, den sie noch annehmen darf“, erklärte Helmut Geißler vom Umweltamt. „Dazu gehören Sande, Steine und Bodenaushub. Mischabfälle sind dagegen nicht zulässig.“ Er wehrte sich gegen die Forderung, die fragwürdige Deponie sofort stillzulegen. „Wir müssen auch an die 50 bis 70 Arbeitskräfte denken.“

Was die Anwohner fast noch mehr aufbringt, ist die Zunahme der Kakerlaken. „Seit dem Feuer hat sich die Zahl der Schaben auf meinem Grundstück mindestens verzehnfacht“, sagt Andre Czycewski aus der Straße Gieses Plan, die direkt zur Deponie führt. „Das Ungeziefer krabbelt nicht nur in der Mülltonne, sondern auch über die Terrasse, im Hundezwinger und im Schuppen.“ Dreimal sei bei ihm der Kammerjäger gewesen. Die so genannten Monitoring-Fallen, mit denen das Gesundheitsamt die Ausbreitung der Schaben kontrollieren wollte, sind im Haus von Herrn Czycewski immer wieder voll. Jetzt hat er sich im Internet 100 Liter Insektengift bestellt.

Von ähnlichen Erfahrungen berichten auch andere Anwohner. Die meisten hatten sich ihre schönen Einfamilienhäuser erst Ende der neunziger Jahre gebaut. Zu dieser Zeit hatte die Deponie zwar schon bestanden, aber es wurden nur Bauschuttabfälle angenommen. Erst der Plastikmüll von Gewerbebetrieben und Haushalten verschärfte die Lage.

Im Juni hatten die Einwohner auf einer ersten Versammlung ihrem Ärger Luft gemacht und eine Bürgerinitiative zum Kampf gegen die Belästigungen durch Schaben, Fliegen und Gestank gegründet. Vom Unternehmen gab es auch gestern keine Auskünfte. Geschäftsführerin Silvia George ließ ausrichten, sie sei nicht zu sprechen.

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