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Bauarbeiten am neuen Brandenburger Landtagsschloss.

© dapd

Interview mit Gunter Fritsch: "In 400 Jahren schaffen wir die Fusion mit Berlin schon"

Brandenburgs Landtagspräsident Gunter Fritsch über den Aufbau des Potsdamer Stadtschlosses als Parlamentssitz und die Möglichkeiten einer Fusion mit dem Land Berlin.

Aus Brandenburgs Landtagsneubau wird nun doch das Potsdamer Stadtschloss. Ist das eine problematische Metamorphose?

Nein, es war ja seit der Entscheidung für den Standort Alter Markt das doppelte Ziel, einen modernen Landtag mit guten Arbeitsbedingungen zu bauen und Potsdam mit der Gestalt des Schlosses ein Stück seiner Mitte wiederzugeben. Nach der historischen Fassade kommen wir mit der Zusatzspende des Unternehmers Hasso Plattner für das Kupferdach dem Schloss nun noch deutlich näher.

Das Zinkdach war schon geliefert. Fürs Land wird das Projekt jetzt teurer.

Ja, da ist ein Wermutstropfen, die Sorgen vor Mehrkosten und Zeitverzug sind da. Ich hoffe, dass alles im Rahmen bleibt. Ich werde auch beim Richtfest an alle appellieren, alles zu tun, um den Zeitplan zu halten. Wir wollen, wenn es irgendwie möglich ist, im Herbst 2013 einziehen.

Der Landtag steckt im Schloss-Korsett. Mancher Abgeordnete befürchtet schon eine drohende Raumnot.

Das hält sich hartnäckig, aber die Zahlen widerlegen das: Im jetzigen Gebäude auf dem Brauhausberg haben wir 2660, künftig 3300 Quadratmeter.

Als der Grundstein gelegt wurde, blieben die Potsdamer ausgesperrt. Beim Richtfest soll das anders sein, samt Freibier für alle?

Das letzte weiß ich gar nicht, ich lass mich auch überraschen. Die Baufirma BAM, die auch die deutsche Bürokratie gut kennt, hatte damals Sicherheitsbedenken wegen der Baugrube. So gefährlich schien mir als geübtem Bergsteiger das Gelände zwar nicht. Diesmal wird es eine öffentliche Veranstaltung, ich bin auf den Zustrom gespannt.

In Potsdam gab es um Landtag und Schloss zwei Jahrzehnte Irrungen, Wirrungen, manche Widerstände. Hätten Sie es je für möglich gehalten, dass am Ende ein Finanzminister der Linken, für die das Stadtschloss lange ein Reizwort, ein preußisches Relikt war, einmal über ein Kupfer-Schlossdach ins Schwärmen gerät, so wie jetzt Helmuth Markov?

Wer regiert, ist eben an Gesetze, Mehrheitsbeschlüsse, Verträge gebunden. Und wenn Herr Markov dann über das Kupferdach auch noch jubeln kann, umso besser.

Nervt es Sie, wenn in Potsdam um jede Abweichung vom Knobelsdorffschen Original erbittert gestritten wird?

Genervt sein wäre übertrieben. Ich kann es nicht nachvollziehen. Ich nehme etwas anderes wahr: Es wird von einigen wenigen erbittert gestritten. Ich glaube, dass die Mehrheit der Potsdamer ebenfalls nicht darauf erpicht ist, hundertprozentig, eins zu eins, das Stadtschloss wieder zu bekommen. Wer das will, dem sage ich: Dann müsst Ihr auch den König wieder nehmen, und die verordneten Dekrete dazu. Bei den Debatten ums Kupferdach, ehe diese sich dank Hasso Plattner zum glücklichen Ende fügten, fiel mir auf: Die lauten Forderungen des Schloss-Vereins und die gesammelten Spenden lagen arg auseinander.

Werden sich außer den verwöhnten Potsdamern auch Lausitzer und Prignitzer mit dem Schloss-Landtag identifizieren?

Ja, aber möglicherweise nicht, weil es aussieht wie ein Schloss, sondern weil es eben unser Landtag ist, in dem die Volksvertreter aus dem ganzen Land ihre Arbeit verrichten. Deshalb glaube ich, dass es auch für die Bewohner aus Potsdam-fernen Gebieten der akzeptierte, politische Mittelpunkt des Landes wird.

Aber dass sich das Parlament überhaupt einen Neubau genehmigte, war schon heiß umstritten.

Das ist komischerweise so. Wenn ein neues Ministerium gebaut wird, interessiert es keinen, ein neuer Landtag ist dagegen im Lande in aller Munde. Wenn er in seiner Schönheit steht, gewöhnen sich alle daran schneller als man denkt.

Weiter auf der nächsten Seite: Das umstrittene PPP-Modell

Könnte es sein, dass Ihnen die Leute die Bude einrennen?

Die Neugier wird groß sein. Wenn das Haus fertig ist, werden wir einen Besucheransturm erleben, eine Nummer kleiner, aber ähnlich wie beim Reichstag. Vielleicht werden die Leute hier nicht bereit sein, sich sieben Stunden anzustellen. Aber Potsdam ist ja auch nicht Berlin, nicht ganz.

Der Landtag wird in einem umstrittenen PPP-Modell in „öffentlich-privater Partnerschaft“ von Baukonzern BAM gebaut, betrieben und unterhalten. Vieles lief wenig transparent. Halten Sie es für einen Fehler, dass beim wichtigsten Landesbau die Bauherrenrolle abgegeben wurde?

Eine Demokratie lebt von Mehrheitsentscheidungen, und das müssen nicht immer die besten sein. Bei PPP-Modellen hat man einen weiteren Partner im Boot, mit dem man sich abstimmen muss. Das gibt Mühsal, Reibungsverluste. Und ob es langfristig wirklich günstiger wird, weiß man erst am Ende. Es war eine Entscheidung des Parlamentes, bei der Schlussrechnung sind wir alle schlauer.

Bei der Elbphilharmonie in Hamburg haben sich die Kosten vervierfacht, muss der Steuerzahler 77 Millionen Euro drauflegen. Was ist beim geplanten 120-Millionen-Landtag Brandenburgs zu befürchten?

Eine derartige Kostenexplosion a la Hamburg schließe ich beim Landtagsprojekt völlig aus. Natürlich driftet es auch hier mal ab, es gab Schwierigkeiten mit dem Untergrund, mit Grabungen, Zeitverzug. Ich denke, dass sich das in vertretbarem Rahmen bewegt. Die Baukosten der meisten öffentlichen Gebäude dürften weit stärker gestiegen sein als hier.

Das Parlament zieht nicht allein ein, sondern auch der Rechnungshof, der sich zuletzt über zu beengte Verhältnisse beklagte.

Das ist alles ausgeräumt. Es ging dabei nicht nur um die Raumfrage, sondern auch um die Vorstellung des Rechnungshofes, seine Arbeit unbeobachtet zu tun, räumlich und funktional getrennt vom Landtag. Ich bin der Meinung: Es schadet Mitarbeitern eines Rechnungshofes nicht, wenn sie Abgeordneten auf den Fluren begegnen. Wie auch immer, Präsident Thomas Apelt hat mir gerade geschrieben, dass er mit der jetzigen Lösung einverstanden ist.

Der Rechnungshof soll Platzhalter sein, damit nach einer Fusion die Berliner Abgeordneten einziehen können. Hält das Schloss mit dem Preußischen Landtag mit?

Auf jeden Fall, aber leider gewinnen wir ja noch keine Mehrheit für ein gemeinsames Land. Die Zustimmung in Brandenburg scheint sogar abzunehmen, und das Bedürfnis danach sinkt immer noch, je weiter man von Berlin weg ist. Also bleibt erst einmal nur die möglichst enge Kooperation. Wir wären auch da weiter, wenn Berlin und Brandenburg wenigstens darauf achten würden, dass neue Verordnungen und Gesetze gleich lautend sind. Leider ist das kaum der Fall, weil hier mit dem ländlichen Raum, und da mit der Großstadt argumentiert wird. Ich denke, da ginge mehr.

Sie glauben anders als Matthias Platzeck noch an ein gemeinsames Land?

Es ist nun einmal, auch historisch gesehen, eine Region, ein Wirtschaftsraum. Und das Schloss auf dem Alten Markt wird vierhundert, fünfhundert Jahre stehen, bis dahin schaffen wir es mit der Fusion schon. (lacht)

Wird der parlamentarische Alltag im neuen Haus anders?

Ich denke, das Selbstbewusstsein des Parlamentes wird wachsen, und ganz praktisch, die Abläufe werden einfacher, klarer. Der Plenarsaal mit seiner runden Anordnung macht alles übersichtlicher, für Abgeordnete, Öffentlichkeit, Besucher.

Wird das die Debatten befeuern?

Na ja, die Abgeordneten werden sich zumindest besser im Blick haben. Die Neigung zu Zwischenrufen wird auch künftig mehr vom Thema abhängen. Für mich wird es keine große Rolle spielen. Allerdings, es hat sein Gutes: Ich muss den Kopf nicht mehr so weit nach rechts und links schwenken, um alles im Blick zu haben.

In einem Interview, das wir 2007 führten, beklagten sie Eintönigkeit im Landtag, den Mangel an freier Rede, was schon seit der letzten Landtagswahl anders geworden ist. Woran hapert es noch?

Ach, es ist schon ganz in Ordnung, wie es jetzt läuft. Was mir gefällt: Das Verhalten der Fraktionen ist nicht mehr so erstarrt - man kann auch sagen: nicht so starrsinnig - wie in der letzten Wahlperiode, wo selbst bei einem vernünftigen Anliegen kein offener gemeinsamer Beschluss von SPD, CDU und Linken möglich war. Das geht jetzt. Auch die heutigen Oppositionsfraktionen schließen ganz unterschiedliche wechselseitige Bündnisse, das ist ganz flexibel. Wie die Fraktionen sich verbünden, ist mehr an der Sache orientiert.

Das von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gern als Große Koalition titulierte Bündnis von SPD und Linken hat der Drei-Parteien-Opposition einen Vize-Landtagspräsidenten verwehrt. Es ist bisher nicht bereit, die Wahl des Verfassungsgerichtspräsidenten an eine Zwei-Drittel-Mehrheit, also an Stimmen aus der Opposition, zu koppeln. Und man verbannte jetzt im neuen Plenarsaal - mit CDU-Hilfe gegen Ihre Stimme und die der Linke-Vizepräsidentin - die kleinen Fraktionen an die Ränder. Fehlt es Rot-Rot an Sensibilität?

Demokratie beruht auf Mehrheitsentscheidungen. Werden dabei Minderheiten einschränkt, würde sie zur Demokratur. Jeder der Vorgänge, für sich betrachtet, hat seine Hintergründe, sein Für und Wider. Dennoch sage ich: Es ist nicht nötig, die Arbeitsbedingungen für kleinere Fraktionen schlecht zu halten. Die Auseinandersetzung soll um Themen, um Probleme, um das Beste für Brandenburg geführt werden, nicht über die Sitzordnung. Ich habe mich aus gutem Grund in der Abstimmung so verhalten. Ich wünsche mir von den Koalitionsfraktionen da einfach mehr Großherzigkeit.

Interview: Thorsten Metzner

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