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Brandenburg: Justizministerium verlangt Aufklärung

Missbrauchsaffäre: Gericht und Anklagebehörde beschuldigen sich gegenseitig

Nauen – In die Affäre um den Kinderschänder Lothar S. hat sich jetzt das Brandenburger Justizministerium eingeschaltet. „Wir erwarten von den Dienstaufsichtsbehörden eine sehr zeitnahe Aufklärung, weil es sich um einen ernst zu nehmenden Vorgang handelt“,sagte Sprecherin Dorothee Stacke. Wie der Tagesspiegel berichtet hatte, konnte der Pädophile Lothar S. bis Herbst 2003 wiederholt Kinder missbrauchen, obwohl es bereits 1999 in einem Sorgerechtsverfahren am Amtsgericht Nauen massive Hinweise auf Kindesmissbrauch durch ihn gab.

Damals hatte das Jugendamt Havelland nach Hinweisen auf den Missbrauch einen zehnjährigen Jungen in einem Heim unterbringen lassen. Ein von der Familienrichterin eingeholtes Sachverständigen-Gutachten hielt die Aussagen des Kindes für glaubwürdig. Trotzdem wurden seinerzeit keine Ermittlungen gegen S. eingeleitet. Gericht und Staatsanwaltschaft weisen sich jetzt gegenseitig die Schuld zu.

Das für das Amtsgericht Nauen zuständige Landgericht Potsdam wies gestern Vorwürfe zurück, die Familienrichterin habe die Staatsanwaltschaft nicht informiert. Laut einem Aktenvermerk habe die Richterin das Protokoll über die am 15. Februar 1999 durchgeführte Beweiserhebung und den richterlichen Beschluss vom gleichen Tage, in dem die Verdachtsmomente dargestellt seien, an die Staatsanwaltschaft Potsdam übersenden lassen, hieß es. Für dienstrechtliche Maßnahmen gegen die Richterin sehe man keinen Anlass. Allerdings sind diese beiden Dokumente bei der Staatsanwaltschaft nicht eingetroffen. Sprecher Ralf Roggenbuck sagte gestern: „Der Eingang kann hier nicht bestätigt werden.“

Auf Verfügung des Justizministeriums sollen der Präsident des Oberlandesgerichts und der Generalstaatsanwalt jetzt klären, ob die Protokolle tatsächlich abgesandt wurden beziehungsweise wo sie abgeblieben sind. In Justizkreisen hieß es, es sei nahezu ausgeschlossen, dass Unterlagen auf dem Dienstweg vom Gericht zur Staatsanwaltschaft verloren gingen. Unklar ist auch, warum nicht, wie in solchen Fällen üblich, die gesamte Akte an die Staatsanwaltschaft geschickt wurde. Das Jugendamt sieht keine Versäumnisse: Man habe nach Bekanntwerden der Vorwürfe das Gericht eingeschaltet und den Jungen in ein Heim gebracht.

Michael Mara

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