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Brandenburg: Kein Speck und keine Mäuse

Armes Brandenburg! Eine Studie bringt es an den Tag: das Land hat sich so schlecht entwickelt wie kein anderes

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) gerät nach dem Scheitern der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) unter Handlungsdruck. Denn der Wirtschaftsstandort Brandenburg fällt immer weiter zurück. Er liegt im Länder-Vergleich einer bundesweiten Studie der Bertelsmann-Stiftung auf dem vorletzten Platz vor Sachsen-Anhalt. „Brandenburg hat sich von allen Bundesländern mit Abstand am schlechtesten entwickelt“, heißt es in der jetzt vorliegenden Detailanalyse für das Land. Deshalb wird eine „entschlossene Kurskorrektur“ in der Regierungspolitik angemahnt. Es bedürfe „einschneidender Maßnahmen“, die eine Aufbruchstimmung erzeugten. Vor diesem Hintergrund wird die Regierungserklärung von Matthias Platzeck zur Wirtschaftsstrategie, die er nach dem Scheitern der Chipfabrik kommende Woche im Landtag abgeben will, mit besonderer Spannung erwartet.

Die Verfasser der Analyse geben Brandenburgs Regierungspolitik schlechte Noten: Im so genannten Aktivitätsindex, der das Engagement der Landespolitik misst, „verharrt Brandenburg auf unterstem Niveau und belegt lediglich den vorletzten Platz“ im Länder-Vergleich – ein miserables Zeugnis für die große Koalition. Nur die rot-rote Regierung in Mecklenburg-Vorpommern schneidet bei den Aktivitäten noch schlechter ab. Beim so genannten Erfolgsindex, der die wirtschaftliche Situation sowie die innere und soziale Sicherheit anhand objektiver Kennziffern bewertet, ist Brandenburg gegenüber der Vorgängerstudie 2001 vom 11. auf den vorletzten Platz 15 zurückgefallen.

Als Hauptgrund dafür wird ein „regelrechter Einbruch“ beim Wirtschaftswachstum angegeben, „zu dem auch die inzwischen lang anhaltende Schwächephase Berlins beigetragen“ habe. Brandenburg sei innerhalb von drei Jahren vom wachstumsstärksten zum wachstumsschwächsten deutschen Bundesland geworden. „Besonders schlecht“ entwickelten sich die Randregionen, die vom „Speckgürtel“ um Berlin nicht profitieren.

Besonders dramatisch entwickelt sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt. In keinem anderen Bundesland ist nach der Studie der Rückgang der Erwerbstätigkeit so groß wie in Brandenburg. Der Landesregierung werden hier Defizite bescheinigt: Es ergebe sich „besonderer landesspezifischer Handlungsbedarf“. Ausdrücklich weist die Studie auf den in Brandenburg besonders starken Mangel an Ausbildungsplätzen hin. Brisant: Die Studie empfiehlt, Jugendliche zu einer Ausbildung jenseits der Landesgrenzen zu bewegen. Anreize für eine spätere Rückkehr nach Brandenburg könnten durch gezielte Existenzgründungsförderung „im familiären und wirtschaftlichen Bereich“ geschaffen werden.

Auch bei der Entwicklung der Einkommen ist Brandenburg auf den letzten Platz zurückgefallen.Als Hauptursache für den Wachstumseinbruch in Brandenburg wird die „ausgeprägte Innovationsschwäche“ des Landes angesehen. Ein Beleg dafür seien auch die extrem niedrigen Patentanmeldungen. Sie hängen der Studie zufolge auch damit zusammen, dass Brandenburg die „niedrigsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung sämtlicher Bundesländer“ hat. Deutlich werde die Innovationsschwäche des Landes weiter auch an der ausgeprägten Exportschwäche, „die auf eine unzureichende Wettbewerbsfähigkeit der brandenburgischen Wirtschaft auch im internationalen Vergleich hindeutet“.

Einzige Lichtblicke sind nach der Studie zum einen die überdurchschnittliche Gründungsintensität im Land. Sie hat dazu geführt, dass Brandenburg mit knapp 10 Prozent der Erwerbstätigen die höchste Selbstständigenquote der ostdeutschen Bundesländer erreicht hat. Zum anderen schneidet Brandenburg bei der inneren und sozialen Sicherheit überdurchschnittlich gut ab und verbesserte sich um zwei Ränge auf Platz 6 aller Bundesländer. Da sich die Zahl der Sozialhilfeempfänger erhöhte, ist das gute Gesamtergebnis auf die unter Innenminister Jörg Schönbohm verbesserte Kriminalitätsbekämpfung zurückzuführen. Andererseits wird gewarnt, dass die starke Abwanderung die familiären und sozialen Strukturen des Landes destabilisiert.

Da sich auch die Situation Berlins verschlechtert, halten die Autoren der Studie die Länderfusion für unausweichlich. Sie sehen die Gefahr, dass sich der bisherige Standortvorteil Brandenburgs, nämlich die Nähe zur Hauptstadt, endgültig in einen Standortnachteil verwandeln könnte. Die Brandenburger sollten sich „deshalb aus eigener Kraft für eine gemeinsame Zukunft in einem fusionierten Land Berlin-Brandenburg entscheiden" und nicht warten, bis sich die wirtschaftliche und finanzielle Situation der beiden Länder derart verschlechtert hat, dass die Fusion zwangsweise kommen müsse.

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