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Brandenburg: Keine Lust auf Parteien, keine Lust auf Mandate

Politiker suchen händeringend Kandidaten für die Kommunalwahl 1998 / "Weiße Flecken" auf dem LandeVON MICHAEL MARA POTSDAM.1998 finden in Brandenburg Kommunalwahlen statt.

Politiker suchen händeringend Kandidaten für die Kommunalwahl 1998 / "Weiße Flecken" auf dem LandeVON MICHAEL MARA POTSDAM.1998 finden in Brandenburg Kommunalwahlen statt.Schon jetzt steht fest, daß die Parteien wiederum nicht flächendeckend mit Kandidaten für die Gemeindeparlamente aufwarten können.Es werden sogar weitere Einbrüche erwartet, weil viele Mandatsträger nicht mehr kandidieren wollen.Betroffen sind vor allem PDS und FDP.Politiker befürchten, daß wegen Kandidatenmangels vielerorts keine funktionsfähigen Gemeindevertretungen zustandekommen werden. Zwölf Monate vor der Kommunalwahl plagt Brandenburgs Politiker - gleich welcher Partei sie angehören - dieselbe Sorge: Wo die Kandidaten hernehmen? Zwischen Oder und Elbe müssen 1520 Gemeindevertretungen, 112 Stadtverordnetenversammlungen in kreisangehörigen Städten, weitere vier in kreisfreien Städten sowie 14 Kreistage gewählt werden, außerdem rund 1500 ehrenamtliche Bürgermeister.Das größte Problem sind die vielen kleinen Gemeinden auf dem Lande.Rund drei Viertel zählen weniger als 700, 350 zwischen 700 und 6500 Wahlberechtigte.Obwohl hier zwei Drittel der Bevölkerung leben, stellen diese Gemeinden für die Parteien zum großen Teil "weiße Flecken" dar: Es gibt keine Ortsverbände und auch keine kommunalen Mandatsträger.Angesichts der geringen Mitgliederzahlen der Parteien ist das auch nicht verwunderlich: Die Brandenburg regierende SPD, 1989 wiedergegründet, kommt gerade mal auf 7000, die einstige Blockpartei CDU auf - so jedenfalls die offizielle Angabe - 8000 Mitglieder.Die FDP ist auf etwa 2500 Mitglieder geschrumpft.Die aus der mitgliederstarken SED hervorgegangene PDS führt zwar noch 16 990 Genossen in ihren Karteien, leidet jedoch am stärksten unter Überalterung: Da jedes zweite Mitglied über 65 Jahre alt ist, scheidet die Hälfte von vornherein für eine Kandidatur aus. So kommt es, daß die auf Landesebene dominierende SPD nur in 524 kommunalen Vertretungen (rund 30 Prozent) vertreten ist, die PDS sogar nur in 421 (rund 25 Prozent).Ob es dabei bleiben wird, ist mehr als fraglich: Denn rund 30 Prozent der mehr als 1200 kommunalen Mandatsträger der PDS wollen einer internen Analyse zufolge nicht wieder kandidieren.Bernd Schulze, PDS-Landesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter, nennt Alter und Überforderung als Gründe."Dadurch verschärft sich das Problem für uns." Schulze registriert ein schwindendes Interesse, sich überhaupt in Gemeindevertretungen zu engagieren.Mit der geplanten Bildung von Großgemeinden werde die Motivation, befürchtet er, noch weiter abnehmen.PDS-Landeschef Wolfgang Thiel nennt noch andere Gründe für das wachsende Desinteresse an der Kommunalpolitik: Eine gewisse Resignation angesichts der Probleme der Kommunen.Davon abgesehen sieht er die PDS in der Tradition der SED: Deren Strukturen waren auf dem Land immer schwach entwickelt."Die Leute auf dem Dorf wollen sich nicht bekennen." Er könnte recht haben, denn den konkurrierenden Parteien geht es, was ihren Einfluß auf dem Land angeht, nicht besser.Die "weißen Flecken" halten sich hartnäckig.Vorrangiges Ziel aller ist es deshalb, jene Gemeinden "zu halten", in denen sie 1993 angetreten sind und Mandate gewonnen haben.Der kleinen FDP dürfte das kaum gelingen: Sie konnte 1993 mit 660 kommunalen Mandatsträgern ein gutes Ergebnis erzielen, leidet aber wie die PDS unter Austritten und Überalterung.Landesgeschäftsführer Helmut Jakob schätzt, daß ein Viertel der derzeitigen Mandatsträger - eine ganze Reihe hat inzwischen die Partei verlassen - nicht mehr kandidieren werde. SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness hingegen ist optimistisch, daß es zu keinen Einbrüchen kommen wird: "Im Gegensatz zu PDS und FDP treten bei uns die weitaus meisten Gemeindevertreter und Abgeordneten wieder an." Außerdem setzt er auf das "positive Image" der Landes-SPD.Das kann CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek zwar nicht, doch hofft er, daß seine Partei die 1993 errungenen 2300 kommunalen Mandate halten kann.Lunacek: "Die Querelen auf Landesebene schlagen nicht auf die Kommunen durch." Bisher hat er allerdings keinen Überlick darüber, wie viele CDU-Volksvertreter 1998 erneut antreten wollen. Aus der problematischen Lage ziehen die Parteien dieselben Konsequenzen: Sie wollen Parteilose auf ihren Listen kandidieren lassen und mit unabhängigen Wählergemeinschaften kooperieren.Ness rechnet damit, daß in der Schlußphase ein regelrechter Run der Parteien auf potentielle Kandidaten einsetzen werde."Auch vor der Kommunalwahl 1993 hat es viele Eintritte in die SPD gegeben." Von offenen Listen erwartet die SPD nicht allzuviel: Die Partei habe sich nicht wirklich geöffnet und schmore eigenbrötlerisch im eigenen Saft, konstatiert ein SPD-Politiker.Dies trifft mehr oder weniger auch auf die anderen Parteien zu und ist zugleich die Chance der freien Wählergemeinschaften, die der SPD und den anderen Parteien schon 1993 zu schaffen gemacht haben.

MICHAEL MARA

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