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Brandenburg: Klassenkampf am Griebnitzsee

Im Streit um den Uferweg in Potsdam verhärten sich die Fronten wieder SPD-Politiker droht Ausschluss, weil er seine Privatinteressen verfolgt habe

Potsdam - Nach vielen positiven Nachrichten aus Potsdam in letzter Zeit darf in der Stadt nun wieder heftig gestritten werden. Nur kurz verdeckte die Eröffnung des wunderbaren Hans-Otto-Theaters ein Thema, das die Menschen in der Stadt buchstäblich auf die Barrikaden treibt: Am Griebnitzsee tobt ein Kampf zwischen Spaziergängern, Radfahrern und Joggern auf der einen Seite – und Villenbesitzern auf der anderen. Während die Mehrheit der Potsdamer auch künftig am Ufer entlanglaufen möchte, wollen die Grundstückseigentümer keine neugierigen Blicke und bestehen auf Bootsstegen und schicken Pavillons am See. So sei es früher auch gewesen, sagen sie.

Allerdings liegt diese Zeit schon eine ganze Weile zurück. Der Griebnitzsee wurde genau wie Teile des angrenzenden Babelsberger Parks und die fast in Sichtweite befindliche Glienicker Brücke vom Bau der Mauer 1961 in Mitleidenschaft gezogen. Die Grenzer spannten Stacheldrahtzäune und legten quer durch die Vorgärten der Villen einen Postenweg an, auf dem sie Patrouille liefen oder fuhren. Als die Mauer fiel, verschwand auch der Stacheldraht. Der Postenweg aber blieb – und wurde zum Spazieren genutzt.

Doch der Friede währte nur kurz. Die vorwiegend aus dem Westen stammenden alten Eigentümer oder deren Erben erhielten einen großen Teil der etwa 80 Ufergrundstücke zurück. Andere wurden wegen der guten Lage für einen stolzen Preis verkauft. Und alle Anwohner wollten freien Zugang zum Wasser, ohne öffentlichen Weg. Anwälte, Gerichte, Parlamentarier und Bürgerinitiativen erhielten nun viel Arbeit. Innerhalb kurzer Zeit schrieben sich 7000 Potsdamer in die Unterschriftenlisten für die Beibehaltung des Weges ein.

Die Stadtverwaltung verhängte eine sogenannte Veränderungssperre, die jegliche Bauten am Ufer verbietet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit dieses Schrittes mittlerweile bestätigt. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) kündigte unlängst einen Bebauungsplan für einen Uferpark an. Gegen ihn können die Eigentümer dann wieder klagen.

Einen aus seiner Sicht „vernünftigen Kompromiss“ hatte der Bauunternehmer und Villeneigentümer Wolfhard Kirsch vorgeschlagen. „Wir lassen einen neuen Weg unmittelbar am Ufer zu und erhalten dafür im Gegenzug die Erlaubnis, schwimmende Veranden ans Ufer zu bauen“, bot der aus dem Westen übergesiedelte Unternehmer an. Die Stadt konterte: „Die Sichtachsen auf den See bleiben frei.“ Außerdem wollte der Unternehmer einen Zaun quer über den neuen Uferweg setzten, mit zwei Toren für die Spaziergänger oder Fahrradfahrer.

Damals saßen Jakobs und Kirsch noch gemeinsam in der SPD-Fraktion im Stadtparlament. Gestern allerdings beschlossen die Abgeordneten in einer Sondersitzung, Kirsch aus der Fraktion und dann auch aus der Partei auszuschließen. Er habe seine persönlichen Interessen im Streit um den Uferweg über seine Verantwortung als Mandatsträger gestellt, hieß es zur Begründung. Auch habe er die Forderung der Fraktion abgelehnt, per Grundbucheintrag festzuschreiben, dass der Weg auf seinem Grundstück öffentlich zugänglich bleibt. Zwar folgte Kirsch dem Verlangen der Fraktion, sich von Äußerungen seines Anwalts zu distanzieren. Das Mandat wollte er ihm allerdings nicht entziehen. Der Anwalt soll in einer Klageschrift das Vorgehen der Stadt im Uferstreit mit Methoden der Nationalsozialisten bei der „Arisierung“ gleichgestellt haben.

Dennoch prüft die Stadt bereits juristische Schritte gegen den Anwalt. Ein solcher Vergleich sei „ein verbaler Angriff auf den Rechtsstaat“, sagte Jakobs. Kirsch seinerseits klagt wegen des Uferwegs ebenfalls schon gegen die Stadt. Wie auch einige seiner Nachbarn.

Der Weg immerhin ist noch offen.

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