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Brandenburg: „Kleine Schulen sind keine Alternative“ Bildungsminister Reiche verteidigt Schließungen

Die Nachricht verblüfft: Während überall Schulen schließen, öffnen in Brandenburg zum neuen Schuljahr acht neue Privatschulen. Elf werden wegen des großen Andrangs erweitert.

Die Nachricht verblüfft: Während überall Schulen schließen, öffnen in Brandenburg zum neuen Schuljahr acht neue Privatschulen. Elf werden wegen des großen Andrangs erweitert. Wie kommt es dazu?

Es ist lediglich eine Normalisierung. In den alten Ländern lernen rund sechs Prozent der Kinder an Schulen in freier Trägerschaft. In Brandenburg sind es mit bisher 100 Schulen erst drei Prozent, das gleicht sich stetig an. Ich begrüße diesen Wettbewerb zwischen staatlichen Schulen und denen in freier Trägerschaft.

Rührt der Zulauf aus der Unzufriedenheit mit den staatlichen Schulen?

Nein. Wenn es so wäre, gäbe es einen ganz anderen Druck. Zudem ist es eine Mär, dass Privatschulen per se besser sind als staatliche Schulen. Gerade im letzten Schuljahr gab es Probleme an mehreren Schulen in freier Trägerschaft. Eltern waren unzufrieden, weil Verträge nicht erfüllt wurden, weil es Qualitätsschwierigkeiten gab. Manche Initiative für freie Schulen erklärt sich damit, von Schließung bedrohte Schulstandorte zu erhalten.

Das Schulsterben hält an. Zum neuen Schuljahr wird das Aus für weitere 80 Schulen besiegelt, die keine neuen 7. Klassen einrichten durften. Trotzdem gibt es anderes als in den Vorjahren, wo es sogar zu Hungerstreiks kam, kaum Proteste. Warum bleibt der von Ihnen selbst befürchtete „heiße Sommer" aus?

Die Einsicht im Land ist gewachsen, dass Schulen wegen fehlender Kinder geschlossen werden müssen, und dass kleine Schulen keine Lösung sind, weil die Qualität des Unterrichts nicht ausreichend gewährleistet werden kann.

Das neue Schuljahr, das in zwei Wochen beginnt, bringt Veränderungen mit sich. Was versprechen Sie sich von den neuen Grundschullehrplänen, die in Kraft treten?

Einen Sprung nach vorn in der Qualität. Unser Ziel ist ehrgeizig: Brandenburg will in die Spitzenklasse in Deutschland. Die Leistungsanforderungen – und zwar an allen Schulen – sind im neuen Schuljahr höher als je zuvor. Ein Beispiel: Es wird flächendeckende Leistungstests in den Jahrgangsstufen 1, 2, 4, 5 und 8 geben – in dieser Häufung eine Premiere.

Eine Premiere wird auch das neue Zentralabitur, das 2004/2005 erstmals abgelegt wird. Rechnen Sie mit ähnlich desaströsen Ergebnissen wie nach dem Start der zentralen 10.-Klasse-Prüfungen in Mathematik?

Wenn Neues eingeführt wird, ist das immer eine Herausforderung. Doch die Schulen bereiten das Zentralabitur gut vor, so dass ich mit respektablen Ergebnissen rechne. Im November 2004 wird es zudem schon einen Probedurchlauf geben. Das kann ein Warnsignal werden, sich für den Ernstfall besser vorzubereiten. Es wäre falsch, das Zentralabitur aus Angst vor schlechten Ergebnissen in Frage zu stellen. Bildungspolitik braucht langen Atem.

Im neuen Schuljahr müssen viele Eltern erstmals den Schulbus für ihre Kinder bezahlen. Unterstützen Sie Landkreise, die entgegen dem von der großen Koalition beschlossen Spargesetz keine Gebühren erheben wollen?

Man muss wissen: Brandenburg hatte bisher mit dem kostenlosen Schülertransport die beste Situation in Deutschland. Auf Vorschlag des Innenministers hat das Kabinett eine Entscheidung getroffen. Sie war wegen der finanziellen Lage des Landes nötig. Die Kreise habe jedoch Spielräume, um zumutbare Elternbeiträge zu gewährleisten.

Die Bildungspolitik ist zentrales Wahlkampfthema für die Landtagswahl am 19. September. Warum scheinen plötzlich die Differenzen zwischen SPD und CDU unüberbrückbar – trotz einer gemeinsam verantworteten Bildungspolitik seit 1999?

Die große Koalition hat nach Versäumnissen in den Vorjahren eine umfassende Bildungsoffensive durchgesetzt, nicht zuletzt mit Hilfe der CDU. Ich bedauere, dass die Union von ihrem Erfolg jetzt so wenig wissen will. Es stimmt, dass die Schnittmengen mit der CDU in der Bildungspolitik deutlich geringer geworden sind. Forderungen, wie etwa Gymnasien ab Klasse 4, gehen an der Brandenburger Realität vorbei.

Warum soll in Brandenburg nicht funktionieren, was in anderen Bundesländern ganz erfolgreich funktioniert?

Weil es die sechsjährige Grundschule zerstört. Mit der SPD wird es keine Aufhebung der sechsjährigen Grundschule geben, weil es ein fataler Fehler wäre.

Das Interview führte Thorsten Metzner.

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