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Brandenburg: Königliche Hoheit im märkischen Wald

Auf einem lang vergessenen Friedhof bei Zossen ruhen auch britische Soldaten Am Sonnabend besucht der Duke of Kent das restaurierte Gräberfeld

Zossen - Ruhe fanden die Toten hier nicht. Keine 50 Meter von ihren Gräbern entfernt fraßen sich Panzer durchs Unterholz, donnerten Granaten, heulten Geschosse. Ein halbes Jahrhundert lang lag der Friedhof mitten im Truppenübungsplatz Zossen-Wünsdorf, mitten im Gefecht.

Am Sonnabend aber wird die Gräberstätte wieder eingeweiht. Etwa 1000 Kriegsgefangene aus dem Ersten Weltkrieg liegen dort begraben, darunter neben Russen auch Nord- und Westafrikaner aus der französischen und Inder, Pakistani, Nepalesen aus der britischen Armee. Fern der Heimat hatten sie gegen die deutschen Truppen gekämpft, gerieten in Gefangenschaft und wurden in den zwei bei Zossen errichteten Lagern für Muslime und Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften interniert. Viele Gefangene gingen elendig zugrunde: An das Klima nicht gewöhnt, starben die Asiaten und Afrikaner an Grippe oder Lungenentzündung; wer den Frost überstand, den rafften Typhus und Unterernährung dahin.

Den 227 Toten auf dem indischen Teil des Friedhofs – darunter auch Angehörigen der Elitetruppe der Gurkhas – wird am Sonnabend der Duke of Kent, ein Angehöriger des britischen Königshauses, seine Ehre erweisen. Der Herzog ist Präsident der Commonwealth War Graves Commission (CWGC) – der Kriegsgräber-Kommission des Commonwealth –, die sich seit Jahrzehnten dafür einsetzte, auch diese Grabstätte zu retten. Doch erst als die Russen abgezogen waren und die Gemeinde Zossen die Flächen übernommen hatte, war der Zugang möglich.

Was man fand, war Wildnis – „und ein total verwahrloster Friedhof“, erinnert sich Karl-Heinz Wilke, Mitarbeiter im Zossener Grünflächenamt. Wo sich bis Ende der 30er Jahre feinster englischer Rasen zwischen den strahlend weißen Grabsteinen erstreckte, wucherte nun Gebüsch. „Der Wald hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg das Areal erobert. Die Steine wurden gestohlen oder mutwillig zerstört“, sagt Wilke, der die Sanierungsmaßnahmen auf dem 1,2 Hektar großen Friedhof koordiniert hat. „Den Russen ist es sogar gelungen, das Denkmal für die britischen Opfer vom Sockel zu stoßen“ – einen Sechs-Tonnen-Koloss. Schließlich kamen auch noch Grabräuber. Sie suchten nach Orden, Helmen und Uniformresten und wühlten die Gräber auf.

1996 wurde der zerstörte Friedhof in die Denkmalliste aufgenommen. Die Sanierung, die der Berliner Landschaftsarchitekt Jörg Saupe leitete, begann im Jahre 2002. Man hielt sich an die ursprünglichen Pläne: Gräber wurden wieder hergerichtet, neue Steine angefertigt, das Gelände von Munitionsresten geräumt. Die Sanierungskosten trug zum großen Teil die CWGC und übernahm die Arbeiten am britischen Teil der Kriegsgräberstätte. Für die übrigen Flächen stellte der Bund knapp 500000 Euro zur Verfügung.

Die 1917 auf einen königlichen Erlass hin gegründete CWGC pflegt Gräber und Denkmäler in weltweit 150 Ländern. 1,7 Millionen Männer und Frauen der Commonwealth-Streitkräfte starben in den beiden Weltkriegen. Die Überreste von 925000 konnten bisher geborgen und bestattet werden.

Edward George Nicholas Patrick, wie der Duke of Kent mit vollem Namen heißt, ist der vierte Sohn des Großvaters der Queen und also deren Onkel. Empfangen wird er am Sonnabend von Brandenburgs Justizministerin Beate Blechinger (CDU) und der Zossener Bürgermeisterin Michaela Schreiber (SPD). Zum Festakt werden auch die Botschafter Australiens, Bangladeshs, Großbritanniens, Indiens, Nepals, Neuseelands und Russlands erwartet, dazu Vertreter Kanadas und Pakistans.

Mächtige märkische Kiefern beschatten die letzte Ruhestätte der 227 Inder. Dazu wurde vor einigen Tagen ein junger Baum gepflanzt. Am Sonnabend wird der Duke of Kent Erde auf dessen Wurzeln schaufeln. Und am Sonntag besucht er die Einweihung der Dresdner Frauenkirche.

Nadine Fabian

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