zum Hauptinhalt

Brandenburg: Kommt Zeit, kommt Fusion

Die Mehrheit der Berliner und Brandenburger will in einem Bundesland leben – aber damit noch warten

Von Sabine Beikler

Die gute Nachricht verkündete der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer am Anfang: Die Mehrheit der Berliner und Brandenburger ist für eine Fusion beider Länder. Aber: „Die Leute wollen sich mehr Zeit lassen.“ Nach einer gestern vorgestellten Umfrage ist die Zahl der Befürworter einer schnellen Fusion in Berlin von 51 Prozent im Jahr 2000 auf 36 Prozent in diesem Jahr gesunken. Auch in Brandenburg hat die Rate der schnellen Fusions-Befürworter abgenommen: Von 2000 bis 2004 sank sie um 10 Prozentpunkte auf 22 Prozent. Die Umfrage unter knapp 2000 Berlinern und Brandenburgern wurde von der Deutschen Paul Lazarsfeld-Gesellschaft, dem Meinungsforschungsinstitut Forsa, vom Otto-Stammer-Zentrum und der Initiative Berlin-Brandenburg in Auftrag gegeben.

Die Hochburg der Fusions-Befürworter ist unverändert Berlin, wobei die Ost-Berliner mit 77 Prozent einen knappen Vorsprung vor den West-Berlinern mit 74 Prozent haben. Der Anteil der Fusionsgegner ist sowohl in Berlin als auch in Brandenburg in den vergangenen vier Jahren annähernd gleich geblieben: 21 Prozent der Berliner wollen keine Fusion, in Brandenburg sind es 37 Prozent. Nach wie vor ist die Ablehnung in der Peripherie Brandenburgs größer als im so genannten Speckgürtel rund um die Stadt. „Der Sinn einer Fusion muss von der Politik viel stärker vermittelt werden“, sagen Niedermayer, sein Kollege Richard Stöss und Forsa-Chef Manfred Güllner.

„Ohne Not“ habe das Land Brandenburg den Fusionsfahrplan mit der geplanten Volksabstimmung 2006 und Fusion drei Jahre später in Frage gestellt, kritisiert Hartwig Piepenbrock von der Perspektive Berlin-Brandenburg. Er fordert in den nächsten Jahren von der Politik „Überzeugungsarbeit“; vor allem junge Leute müssten in den Schulen von dem „positiven Gedanken“ eines gemeinsamen Bundeslandes überzeugt werden.

Weil sich die Brandenburger Landesregierung von diesem Fahrplan verabschiedet hat, verteidigt der Berliner SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller seinen Vorschlag, den Parlamentsausschuss Berlin-Brandenburg aufzulösen. „In diesem Ausschuss ging es immer um den Fusionsfahrplan. Nur steht der jetzt so nicht mehr zur Diskussion“, sagt Müller. Außerdem hätten sich die Brandenburger nicht an die Absprache gehalten, diesen Ausschuss neben den gemeinsamen Treffen unabhängig davon auch in den jeweiligen Landtagen zu etablieren. „Wir haben uns auch ohne die Brandenburger zusammengesetzt“, sagt Müller. Der Berliner FDP-Ausschussvorsitzende Sonning Augstin hält es für sinnvoll, sich bald mit den Brandenburgern über einen neuen Fusionszeitplan „eine Legislaturperiode später“ zu verständigen. Über Müllers Vorschlag, den Ausschuss aufzulösen, wollen Augstin und auch die Berliner PDS in der nächsten Sitzung im Dezember diskutieren. PDS-Fraktions- und Landeschef Stefan Liebich ist zwar „nicht glücklich“ über Müllers Ansinnen, hält ihn aber auch nicht für ausgesprochen falsch. Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz fordert ein „ambitioniertes Werben“ für die Fusion. Über einen neuen Zeitplan dürfe man jetzt nicht „einseitig“ sinnieren. Die Vorsitzende der Berliner Enquete-Kommission erwartet eine „solide Vorbereitung“. Auch Politiker sollten sich mal an die eigene Nase fassen, ob sie bisher „mit ganzem Herz“ für eine Ländervereinigung eingetreten seien. Auch die Initiatoren der Umfrage ziehen das Fazit, dass eine Kampagne nur dann Erfolg haben wird, wenn sie nicht nur als rational vernünftiges Projekt kommuniziert wird, sondern die Menschen als „Herzensangelegenheit“ überzeugt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false