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Brandenburg: Kunst am Tagebau

Der Berliner Hans Peter Kuhn hat die Braunkohle-Förderbrücke F60 bei Lichterfeld zu einer 500 Meter langen Licht-Klang-Installation gemacht

Lichterfeld. Hans Peter Kuhn steht im Lausitzer Abendlicht vor seiner neuesten Arbeit. „Lichterfeld F60“, der Welt größte Lichtskulptur. Ein „liegender Eiffelturm im leuchtenden Kleid“. Eine ehemalige Braunkohle-Förderbrücke, 500 Meter lang und 80 Meter hoch, von 96 in weißem Licht strahlenden Streben – „Lichtleitern“ – markiert, farbig erleuchtet die 23 Kontroll-, Maschinen- und Aufenthaltshäuschen, mit denen der Gigant einst bewegt wurde. Kuhn erinnert das Bild „ein bisschen an Paul Klee, an die Leichtigkeit seiner grafischen Arbeiten“.

Kuhn hat als Tonkünstler begonnen. Als 20-Jähriger kam er 1972 aus Kiel nach Berlin, belegte Tonmeisterkurse an der Hochschule der Künste, hörte Vorlesungen über Elektrotechnik an der Technischen Universität und fand „mit ein bisschen Glück“ Anschluss als Tontechniker an der Schaubühne am Kurfürstendamm. 1978 machte er die Toneinrichtung für „Death, Destruction and Detroit“ von Robert Wilson. In den folgenden Jahren realisieren die beiden über dreißig Produktionen zusammen, darunter so erfolgreiche wie „Doctor Faustus Lights the Lights“. Für „Saints and Singing“, eine szenische Collage nach Texten von Gertrud Stein, schrieb Kuhn eine Art Musical. Doch er komponiert nicht mit Noten, er reist mit Notebook und Digitalsampler durch die Gegend, sammelt akustisches Klangmaterial, Alltagsgeräusche, die er zu musikalischen Collagen verarbeitet. Zunehmend beginnt er auch mit Video und Licht zu arbeiten, in New York, Tokio, Wien… In Berlin, wo er 1997 die Kräne am Potsdamer Platz zum Leuchten bringt, oder 2000 das Rathaus Schöneberg zur 50-Jahr-Feier der Freiheitsglocke anstrahlt. Sein Studio hat er im neunten Stock des Uhrenturms im Ullsteinhaus in Berlin-Tempelhof: „Von hier überblicke ich die Stadt und habe Licht von allen Seiten.“

Nun also die Förderbrücke F60, dieser „Dinosaurier“, dieser „Godzilla“. Eine Auftragsarbeit für die Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land, die die Umgestaltung der Lausitzer Bergbaulandschaft in eine ausgedehnte Seelenlandschaft bis 2010 begleitet. 1991 im Tagebau Klettwitz-Nord in Betrieb genommen, wurde die F60 schon 1992 wieder stillgelegt. Sie war schon zur Sprengung vorgesehen, als eine Hand voll Enthusiasten aus der Gemeinde Lichterfeld bei Finsterwalde – am zukünftigen „Bergheider See“ – ihr Potenzial erkannten. 1998 übernahmen sie den Stahlgiganten und funktionierten den „letzten Zeugen meisterhafter Bergbautechnik“ zum Besucherbergwerk um. Es wurde im Mai 2002 eröffnet – und die kilometerweit sichtbare Landmarke entwickelte sich mit bereits 120 000 Besucher zu einer einzigartigen Touristenattraktion.

Für Kuhn seinerseits ist die Verwandlung der Förderbrücke zu einem Licht-Klang- Kunstwerk das größte Stück in seiner bisherigen Karriere. „Ein atemberaubendes Teil. Auf Fotos wirkt sie wie ein großes Werkzeug, doch dann, wenn man nah dran ist, wird sie zu einem Monster. Ein gelenkiger Krebs, der sich auf 700 Rädern von 700 Motoren angetrieben in alle Richtungen bewegen konnte.“ Kuhn arbeitet hier mit einer bisher kaum erprobten Technik: Die vertikalen „Lichtleiter“ bestehen aus Nylonschläuchen und werden von strahlenden Projektoren an ihren Enden im Inneren zum Leuchten gebracht. „Weiß ist neutral und enthält alle Farben.“ Seine Installation sieht er als schraffierte Skizze, ein abstraktes Bild – ein Stück Kunst in einer künstlichen Landschaft, die für ihn Endpunkt und Neuanfang zugleich ist.

„Licherfeld F60“ aber ist auch eine Klanginstallation. Unter der Brücke sind 12 Lautsprecher angebracht. Kuhn hat Arbeitsgeräusche einer noch arbeitenden Förderbrücke in Belzow aufgenommen, hat sie bearbeitet und jagt sie nun über die Lautsprecher hin und her. Kuhn setzt auf Kontraste, die sich aus der Beschleunigung und Verlangsamung seines Klangmaterials ergeben.

Fünfzehn Jahre soll Kuhns Kunstwerk leuchten und klingen. Und vielleicht schon in fünf Jahren wird es sich spiegeln: im neuen, dann vollends gefluteten „Bergheider See“.

Das Besucherbergwerk F 60 befindet sich südlich der Ortschaft Lichterfeld (Landkreis Elbe-Elster). Zu erreichen über die Bundesstraße 96, Abfahrt Lieskau kurz hinter Finsterwalde. Geöffnet Di - So 10 - 18 Uhr. Lichtinstallation immer von Freitag bis Sonntag 18 - 22 Uhr, ab November 16 - 21 Uhr.

Gerd Conradt

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